Rechtsextremismus als Phänomen – eine Ausnahmeerscheinung?

16. Dezember 2008 | Von | Kategorie: Leitartikel, Politik | 7 Kommentare |

Fände man bei einem muslimischen Mitbürger auch nur einen Stadtplan, auf dem die Wohnung eines Polizeichefs mit einem Kreuz markiert wäre, das „Haltet den Terroristen“ ertönte lautstark in der Republik. Von Innenminister Schäuble abwärts würden mehr Befugnisse für Polizei und Geheimdienste, ein Bundeswehreinsatz im Innern und der ganz große Horch- und Guck-Angriff gefordert. Wenn aber ein Neonazi – und wer sonst sollte bei der Tat „Grüße vom Nationalen Widerstand“ ausrichten? – einen Polizeichef an seiner Wohnungstür niedersticht, passiert nur das Übliche: Ein NPD-Verbot wird gefordert.

Nazis raus! - Bildmaterial: http://flickr.com/photos/unforth/2584280949/

Nazis raus! - Bildmaterial: http://flickr.com/photos/unforth/2584280949/

Diese Einleitung von Volker Schmidt in der Frankfurter Rundschau trifft den Nagel auf den Kopf. Obwohl der Rechtsextremismus in Deutschland seit Jahren nachweislich die größte Gefahr darstellt,

Im September 2008 wurden insgesamt 1 094 Straftaten gemeldet, die dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ zugeordnet wurden. Darunter waren 67 Gewalttaten und 725 Propagandadelikte. 222 Straftaten, darunter 55 Propagandadelikte und 22 Gewalttaten, wurden dem Themenfeld „Hasskriminalität“ zugeordnet. Bei 149 Straftaten, darunter 40 Propagandadelikte und 17 Gewalttaten, konnte ein fremdenfeindlicher Hintergrund festgestellt werden.

Zu den im September 2008 erfassten 1 094 politisch rechts motivierten Straftaten wurden insgesamt 504 Tatverdächtige ermittelt und 10 Personen festgenommen. In keinem Fall wurde Haftbefehl erlassen.

Bei den 222 dem Themenfeld „Hasskriminalität“ zugeordneten Straftaten wurden 137 Tatverdächtige ermittelt und 3 Personen festgenommen. In keinem Fall wurde Haftbefehl erlassen.

Im Zusammenhang mit den für September 2008 gemeldeten 149 politisch rechtsmotivierten Straftaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund wurden 100 Tatverdächtige ermittelt und 2 Personen festgenommen. In keinem Fall wurde Haftbefehl erlassen. (Quelle: BT-Drucksache 16/10784)

ist laut Innenministerium der sog. islamistische Terrorismus von Jahr zu Jahr die größte Bedrohung für Deutschland:

„Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus stellt die größte Herausforderung für die Sicherheitspolitik in unserer Zeit dar.” … Danach ist Deutschland unverändert durch den islamistischen Terrorismus bedroht und Teil eines weltweiten Gefahrenraumes. (Pressemitteilung zum Verfassungsschutzbericht 2005. Quelle: BMI)

Der islamistische Extremismus und Terrorismus stellen die größte Bedrohung der Inneren Sicherheit dar – weltweit und auch in Deutschland. (Pressemitteilung zum Verfassungsschutzbericht 2004. Quelle: BMI)

Die Innere Sicherheit Deutschlands unterlag auch 2003 einer nachhaltigen Bedrohung durch extremistische und terroristische Ausländergruppierungen. Im Mittelpunkt steht dabei unverändert der islamistische Terrorismus und Extremismus. (Pressemitteilung zum Verfassungsschutzbericht 2003. Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz)

Man stelle sich nur mal vor, was passieren würde, wenn wir allein im September 2008 insgesamt 1094 gemeldete Straftaten verzeichnet hätten, die dem Phänomenbereich „Politisch motivierte kriminilatiät – islamismus o.ä.“ zugeordnet würden. Und wenn darunter 67 Gewalttaten und 725 Propagandadelikte gewesen wären usw… Von einer IPD (Islamistische Partei Deutschlands o.ä.) ganz zu schweigen.

Schauen wir uns einmal genauer an, wie Innenminister Wolfgang Schäuble den sog. islamistischen Terrorismus einstuft und was dagegen unternommen wurde (kursiv Hervorhebungen von der Redaktion):

Auch dieses Jahr bildet der islamistische Terrorismus einen Schwerpunkt des Berichts als die nach wie vor größte Bedrohung für Stabilität und Sicherheit in Deutschland wie Europa.

Der unverändert hohen Bedrohung durch den gewaltbereiten islamistischen Terrorismus müssen wir mit allen Mitteln des Rechtsstaats entgegentreten. Dabei kommt es vor allem auf eine wirksame Prävention an, damit wir die Täter fassen, bevor sie ihre Gewaltverbrechen ausüben können.

Prävention setzt Information voraus. Wenn wir Anschläge verhindern wollen, müssen wir die Handlungsfähigkeit der Sicherheitsbehörden gewährleisten. Dabei kommt es letztlich auf drei Dinge an: auf ausreichendes Personal, auf ausreichende technische Mittel und auf ausreichende Kompetenzen. Es muss gewährleistet sein, dass die Sicherheitsbehörden die notwendigen Informationen gewinnen und sie gegebenenfalls zusammenführen und austauschen können.

Wir müssen die technischen Mittel und die Eingriffsbefugnisse der Sicherheitsbehörden dem Stand der Technik und der täterseitigen Nutzung moderner Kommunikations- und Speichertechnologien anpassen.

Die BKA-Gesetz-Novelle, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, trägt dem Rechnung. Das betrifft insbesondere die Vorschriften zur Online-Durchsuchung, die – den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechend – eine rechtlich saubere und sachgerechte Arbeitsgrundlage für das BKA enthalten und auch Maßstab, etwa für das Bundesamt für Verfassungsschutz, sein können.

Wir müssen den Sicherheitsbehörden praxisgerechte Befugnisse geben, damit sie terroristische Tatvorbereitungen frühzeitig aufdecken können. Dazu gehört die Möglichkeit, Wohnungen im Ernstfall auch heimlich zu betreten.
Die Innenministerkonferenz hat sich im vergangen Monat dieser Themen und der Vorschläge der Praxis angenommen. (Quelle: Verfassungsschutzbericht 2007)

Im Vergleich dazu die Ausführungen des Innenministers über Rechtsextremismus (kursiv Hervorhebungen von der Redaktion):

Ein besonderer Tätigkeitsschwerpunkt des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist die Beobachtung des Rechtsextremismus in allen seinen Ausprägungen – von Fremdenfeindlichkeit über Rassismus, Antisemitismus, Revanchismus bis zum Neonazismus. Der Rechtsextremismus erfordert die besondere Aufmerksamkeit von Staat und Gesellschaft. Wir haben sehr gute Gründe, diese Form des Extremismus in Deutschland als besonders abscheulich zu empfinden, und wir werden rechtsextremistische geistige Brandstifter mit aller Entschiedenheit und mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpfen. Diese Verantwortung müssen wir wahrnehmen – die politisch Verantwortlichen und unsere freiheitliche Gesellschaft insgesamt.

Auch hier ist Prävention gefragt. Wir müssen teilweise noch besser vermitteln, dass Rechtsextremismus eben nicht lediglich eine politische Meinung unter anderen ist und dass Rechtsextremisten an den Grundpfeilern unserer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft rütteln. (Quelle: Verfassungsschutzbericht 2007)

Die Unterschiede werden hinreichend deutlich: Weitreichende Konsequenzen durch Gesetzesänderungen wenn es um sog. islamistische Terroristen geht und Beobachtung und Überzeugungsarbeit, wenn es um Rechtsextremismus geht.

Allein durch die Titulierung des Terrorismus mit dem Zusatz islamistisch wird an den Grundpfeilern der freiheitlich demokratischen Gesellschaft gerüttelt, von den verfassungsrechtlich höchst bedenklichen Gesetzesänderungen mal abgesehen. 3,5 Millionen friedliche Muslime werden unter Generalverdacht gestellt, weil sie der Religion Islam angehören, während der Rechtsextremismus als ein Phänomen bezeichnet wird, was im heutigen Sprachgebrauch als Ausnahmeerscheinung verstanden wird.

7 Kommentare
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  1. Die statistischen Unterschiede rühren meines Erachtens aber auch daher, dass die „islamistische Version“ eines „Propagandadelikts“ – beispielsweise die Verbreitung islamistischer Schriften oder aber der Aufruf zum heiligen Krieg – meines Wissens nach überhaupt nicht in der gleichen Form erfasst werden. Mir ist außerdem schleierhaft, warum der feige Mordanschlag von Passau ein Indiz dafür sein sollte, dass der internationale Terrorismus keine besonders ernstzunehmende Gefahr für die öffentliche Sicherheit mehr darstellt. Offenbar geht doch sowohl von rechtsextremen Straftätern als auch von islamistischen Terroristen eine Bedrohung aus.

    Man stelle sich vor, jemand würde aus einem islamistischen Anschlag die Schlussfolgerung ziehen, dass der Bedrohung durch den Rechtsextremismus zu viel Bedeutung beigemessen werde. Eine Bedrohung durch Gruppe A schließt doch nicht aus, dass parallel dazu auch eine Bedrohung durch Gruppe B existiert, die möglicherweise noch größer ausfällt. Mit allen beiden Bedrohungen muss sich der Staat angemessen auseinandersetzen. Wenn das hinsichtlich der Bedrohung durch rechtsextreme Straftäter noch nicht in ausreichendem Maße geschehen sollte (was ich momentan nicht erkennen kann, da da politische und mediale Echo auf den Anschlag doch sehr groß ist), folgt daraus doch nicht automatisch, dass andere Bedrohungen dadurch an Bedeutung verlieren.

    Mal ganz abgesehen davon finde ich es unschön, das Schmidt in der FR nun dem im Krankenhaus liegenden Mannichl sehr direkt unterschiebt, die rechtsradikale Szene jahrelang irgendwie „begünstigt“ zu haben. Angesichts des auf ihn verübten Anschlags, halte ich solche Kritik dann doch für ein wenig pietätlos.

  2. Es ist gerechtfertigt diesen Terrorismus islamisch zu nennen, weil bis heute die ganz überwiegende Mehrheit der Muslime in Mohammed ein bis heute bindesndes Handlungsvorbild sieht.

    Mohammed hat nicht nur eine Vielzahl von Anriffskriegen geführt, er hat auch zum Töten von Menschen, nur weil sie nicht für die Muslime waren, aufgerufen, sowohl abstarkt im Koran („Tötet die Ungläubigen, wo immer ihr sie findet“), als auch konkret, etwa im Fall von Ka’b ibn al-Aschraf.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Ka'b_ibn_al-Aschraf

    Die Gewalt und der Terror sind tief im Islam verankert.

    http://www.welt.de/politik/article1500196/Der_Terror_kommt_aus_dem_Herzen_des_Islam.html

  3. @ Marti:
    wikipedia als informative Quelle… aha…
    Sie sind ja voll informiert…. 🙂

  4. @ Christian:

    Selbstverständlich geht vom Terrorismus und Rechtsextremismus eine Gefahr aus. Das wird auch nicht bestritten. Hier wird lediglich bemängelt, dass die Gefahr aus dem rechten Spektrum mit unterschiedlichen Methoden (Titulierung als Phänomen und Gefahr Nr. 1 = Terrorismus) relativiert wird.

  5. Na ja,

    ich geh mal davon aus, daß die überwiegende Zahl der Rechtsextremen christlich erzogen wurde oder sich zum Christentum bekennt,

    Käme doch keiner auf die Idee, rechtsextreme Täter deshalb als katholizistische oder evangelistische Terrorristen zu bezeichnen.oder einen Überbegriff wie Christismus zu erfinden, was jedoch aufgrund des bei rechtsextremen Tätern bestehenden Antisemitismus per se nicht umbedingt verkehrt wäre.

    Oder weil die Rechtsextremen in einer Demokratie sozialisiert wurden diese als demokratische Terroristen oder z.B. Demokraschisten zu bezeichnen.

    LI

  6. Es geht nicht darum welche Gefahr mehr oder weniger zu beachten .
    Man sollte beiden Gefahren mit der selben Entschiedenheit entgegen tretten.
    Nur daran hackt es .
    Als man den Islamismus und den von diesen Menschen ausgehende Gefahr unter die Lupe genommen hat , hat man den Rechtsextremismus komplett ausseracht gelassen.
    Und dann soll man von Gleichbehandlung sprechen ?
    Es gibt und gab immer wieder mahr als genug anzeichen das der Rechtsextremismus in Deutschland zunimmt , nur man hat Ihn scön ausseracht gelassen , weil man die Befürchtung hatte in Deutschland als Nazi deutschland bezeichnet zu werden.
    Aus Angst sich einen Titel einzuhandeln zu dem werden was man befürchtet ist doch eine Komische Theorie

  7. @ LI: „die überwiegende Zahl der Rechtsextremen christlich erzogen wurde oder sich zum Christentum bekennt“
    -> Da kennt wohl jemand den Feind nicht richtig?

    Nazis oder besser gesagt Faschisten dulden gar keine Religion , weil sie sich selbst zur einzigen „Religion“ erklären.
    Jemand der die absolute Macht anstrebt, kann keinen gebrauchen mit dem er sie teilen muss.
    Das ist auch der Grund dafür, warum es im 3.Reich keine Mafia gab.

 

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