Sei pünktlich! Spuck nicht auf die Straße!

17. August 2006 | Von | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare |

Die Lehrbücher für die Integrationskurse machen Migranten eher mit kulturellen Vorurteilen vertraut als mit dem Alltagsleben in Deutschland. Die NS-Geschichte kommt in dem neuesten Lehrbuch gar nicht vor. Bundesamt verspricht Nachbesserungen.

… In den Materialien für den Orientierungskurs „30 Stunden Deutschland“ vom Klett Verlag etwa sollen die Migranten anhand von Zeichnungen vergleichen, welches Verhalten in ihrer Kultur und in Deutschland jeweils akzeptabel ist: sich unter Männern bei Begegnungen umarmen, unpünktlich sein, Kinder schlagen, auf die Straße spucken oder die eigene Ehefrau beim Einkaufen als Packesel missbrauchen? Nicht zu erkennen ist auf den Zeichnungen, ob es sich bei den dargestellten Personen um Migranten handeln soll oder um einheimische Mitteleuropäer – betrachtet man etwa den busenbetonten Pulli und die offenen Haare der Frau, die für ihren Mann die Einkaufstüten schleppt. Doch gerade diese pädagogische Tarnung wirkt befremdlicher als das unverhüllte Klischee. Was sollen die Migranten aus den scheinbar neutralen Darstellungen herauslesen? Dass mit den Bildern nicht sie, sondern Hinz und Kunz gemeint sind, dass es aber offenbar trotzdem nötig ist, gerade die Neubürger auf das rechte Benehmen hinzuweisen?

Wesentlich unverblümter kommt das in diesem Jahr neu erschienene Buch „Zur Orientierung. Deutschland in 30 Stunden“ vom Hueber Verlag zur Sache. In einem Comic stellt es eine Figur namens „Jacek“ vor. „Jacek“ macht alles falsch: Er wirft die Bananenschale in den Papiermüll, missachtet das Abstellverbot für Fahrräder und erscheint (wegen der erkrankten Mutter) verspätet zu einem Termin beim Ausländeramt. Dann steckt er dem absolut unbestechlichen, im Ãœbrigen jedoch wohlwollenden Beamten auch noch eine Pralinenschachtel zu.

Zwei Seiten weiter fragt das Quiz „Leben in Deutschland“, ob es passend ist, im Restaurant behaglich-laut zu schmatzen, sich am Telefon mit „Hallo?“ zu melden oder einen deutschen Freund ohne Vorankündigung zu besuchen. Wer hier mit „Nein“ antwortet, ist zu beglückwünschen: Er weiß, was sich gehört – und kann stolz darauf sein, dass „sogar einige Deutsche von Ihnen lernen können, wie man sich in Deutschland verhalten soll“. …

Quelle: TAZ

Ekrem Senol – Köln, 16.08.2006

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