Zwischenergebnisse der Deutschen Islamkonferenz (DIK) 2008

13. März 2008 | Von | Kategorie: Gesellschaft | 4 Kommentare |

Deutsche Islam Konferenz (DIK)

Das Plenum der Deutschen Islam Konferenz (DIK) ist heute unter Leitung von Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble zu seiner 3. Sitzung zusammengetreten. Thema der Konferenz sind Empfehlungen der Arbeitsgruppen und des Gesprächskreises der DIK zu Fragen des Zusammenlebens, insbesondere zur Integration der Muslime in die deutsche Gesellschaftsordnung, zu den Voraussetzungen einer Einführung islamischen Religionsunterrichts als ordentlichem Unterrichtsfach in deutscher Sprache, zum Umgang mit Konflikten in Zusammenhang mit dem Bau und Betrieb von Moscheen, zu verantwortlicher Berichterstattung über Islam und Muslime sowie zur Zusammenarbeit zwischen Muslimen und Sicherheitsbehörden in Deutschland.

„Diese Ergebnisse können sich sehen lassen“, so Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble, „die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der beratenden Gremien verdienen unseren Dank und Respekt“. Die Empfehlungen zeigen Wege auf, wie Probleme im Miteinander überwunden werden und Muslime gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen handeln können. Die Islamkonferenz habe sich bewährt. Da sich der Dialog aber langwierig und mühevoll gestalte, werde der Prozess „lange über das Jahr 2009 hinaus Zeit benötigen“, vor allem aber auch den „Willen und die Kraft auf Seiten der Muslime, sich partnerschaftsfähig, demokratisch und pluralistisch zu organisieren“.

Besonders interessant und wichtig zugleich war die Leitkulturdebatte der Wertegruppe der Islamkonferenz. Es herrschte ein zähes Ringen um Formulierungen, die einen Art Wertekonsens festlegen sollten. Konkreter Streitgegenstand war ein Angebot des Innenministeriums an die islamischen Verbände, das folgendermaßen lautete:

Integration ist eine Aufgabe von nationaler Bedeutung. Grundlage ist neben unseren Wertevorstellungen und unserem kulturellen Selbstverständnis unsere freiheitliche demokratische Ordnung, wie sie sich aus der deutschen und europäischen Geschichte entwickelt hat und im Grundgesetz ihre verfassungsrechtliche Ausprägung findet. Diese auch auf universellen Werten ruhende Ordnung hat sich für das gesellschaftliche Zusammenleben bewährt.

Die (kursiv) hervorgehobenen Textstellen waren auch Gegenstand der letzten Umfrage auf JurBlog.de, dessen bisheriger Zwischenstand überraschen eindeutig ausfiel. Es war danach gefragt, ob im Abschlussbericht der Islamkonferenz auch Begriffe wie „Werteordnung“ (Leitkultur) ihren Niederschlag finden sollen? 86 % Stimmten dagegen während 14 % sich dafür aussprachen. So haben es die Beteiligten der Arbeitsgruppe dann wohl auch gesehen. Herr Schäuble präsentierte in seiner Eröffnungsrede die Ergebnisse folgendermaßen:

Nun zum Inhalt. Das Bundesinnenministerium, in dessen Kompetenzbereich auch unsere Verfassung liegt, hat sich durchaus etwas dabei gedacht, als es von der ursprünglichen Formulierung „Beachtung der deutschen Rechts- und Werteordnung, wie sie sich auch im Grundgesetzt spiegelt“ zur Formulierung „vollständige Beachtung der deutschen Rechtsordnung und der Werteordnung des Grundgesetzes“ übergegangen ist. Die Begriffe Rechts- und Werteordnung sollten voneinander unterschieden werden. „Rechtsordnung“ ist ein streng juristischer Begriff und umfasst alle im Staate geltenden Gesetze, geht also weit über das Grundgesetz hinaus. Diese „Rechtsordnung“ ist ohnehin für jeden verbindlich; ihre Beachtung ist damit eine Selbstverständlichkeit.

Zu meiner Überraschung erläuterte Herr Schäuble in seiner Rede auch, worin die Tücken der ursprünglichen Formulierung lagen:

Der Begriff Werteordnung hingegen bietet stets einen gewissen Interpretationsspielraum, insbesondere dann, wenn ein klarer Bezugspunkt fehlt. Durch den Zusatz „auch im Grundgesetz spiegelt“ bliebe unklar, woraus sich die genannte „Werteordnung“ darüber hinaus ergeben soll und welche Werte sie über die unser Gemeinwesen prägenden Werte des Grundgesetzes hinaus umfassen soll. Gegenüber dieser Unbestimmtheit bietet die nun vorliegende Formulierung deutlich mehr Klarheit, welche Werte gemeint sind. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verkörpert sich in den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes eine objektive Werteordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt. Die „Werteordnung des Grundgesetzes“ wirkt somit auch in andere Bereiche der Rechtsordnung und die dadurch konstituierte Gesellschaftsordnung hinein. Vor diesem Hintergrund bin ich schon einigermaßen erstaunt, wenn in Teilen der Öffentlichkeit von einem „großen Wertestreit“ die Rede ist.

Wunderbar! Das einzige was stört, ist, dass Herr Schäuble den Ãœbergang von der ursprünglichen zur endgültigen Formulierung dem Bundesinnenministerium zurechnet. Dass dem nicht so ist, dürfte jedem, der die „Debatte um die Leitkultur in der Islamkonferenz“ gelesen hat, bekannt sein. Ausschließlich dem Koordinationsrat der Muslime ist die Umformulierung zu verdanken, die darauf bestanden und die übrigen Teilnehmer von der Richtigkeit überzeugt haben. Aber schön, dass sich auch das Bundesinnenministerium, als er Umformulierung zugestimmt hat, sich etwas dabei gedacht hat.

Viel wichtiger ist diese Errungenschaft aber aus zwei ganz anderen Gründen: Einerseits zeigt es die Diskussionsbereitschaft auf beiden Seiten – sowohl auf Seiten der Muslime als auch beim Innenministerium, andererseits die Kompetenz der muslimischen Vertreter, die auch mit tückischen Formulierungen hantieren und umgehen können, was unabdingbar ist bei der Ausgestaltung gemeinsamer Ergebnisse.

Der Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der FDP-Bundestagsfraktion Hans-Michael Goldmann zeigt im Ãœbrigen Verständnis für die Sorgen der muslimischen Verbände über Schäubles Versuch, sie auf die so genannte „deutsche Werteordnung“ zu verpflichten.

Die deutsche Werteordnung ist ein unbestimmter Begriff, in den jeder das hineinlesen kann, was er möchte. So ist nicht auszuschließen, dass Wolfgang Schäuble auf diesem Weg die Muslime auf eine deutsche Leitkultur, wie sie von der CDU wiederholt gefordert worden ist, festlegen will. Der Begriff „deutsche Werteordnung“ kann Einschränkungen der Religionsfreiheit der Muslime zur Folge haben. Stattdessen wäre es sinnvoll und geboten, auf die Werte abzustellen, die sich aus der deutschen Rechtsordnung ergeben. …

Es kommt nicht oft vor, dass am Ende alle einer Meinung sind; umso erfreulicher es dann aber.

Quellen:

4 Kommentare
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  1. Wenn Schäuble von einer objektiven Werteordnung spricht und sich erstaunt gibt, wenn in Teilen der Öffentlichkeit von einem großen Wertestreit die Rede ist, ist das sicher unredlich. Einerseits ist ihm nicht nur bewusst, dass er die Leitkultur in dem Zusammenhang an die erste Stelle gesetzt hat, -er hatte ja in erster Linie die Wertvorstellungen genannt und nur daneben die freiheitlich demokratische Grundordnung- andererseits weiß er auch, dass es nicht einmal unter den Deutschen Einigkeit über die sog. Werteordnung und das kulturelle Selbstverständnis gibt. Eine unerfreuliche Debatte über die deutsche Leitkultur gab es ja vor einiger Zeit schon einmal. Gut, dass die Islamkonferenz bzw. der Koordinationsrat der Muslime dem Innenminister gezeigt hat, welche Wertevorstellungen Basis eines Miteinanders sein können.

  2. Ein Zwischenergebnis ist auch: Islamist C. C., ein junger Türke ist womöglich der erste Selbstmordattentäter aus Deutschland.

    Gratulation an die türkische und Islamische Community in D-Land !

  3. @ Tuotrams
    Und was soll uns Ihre aussage nun genau sagen ?
    Worauf wollen Sie hinaus ?
    Sollen die Gespräche wegen einer Person aufgegeben werden und alles so belassen wie es war , auch wenn man weiß das vieles falsch ist ?

  4. @ Sprinter

    Ich denke auch nicht, dass Herr Schäuble unwissend ist um die Diskussionen bez. der Werteordnung. Er ist sicherlich auch auf dem laufenden, wer auf welcher Formulierung beharrt hat.

 

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