Verbotsantrag gegen Erdogans AKP wurde vom Verfassungsgericht angenommen

31. März 2008 | Von | Kategorie: Politik | 12 Kommentare |

Die türkische Regierungspartei AKP soll nach Willen der Generalstaatsanwaltschaft verboten und ein politisches Betätigungsverbot u.a. für den türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan sowie für den Präsidenten Abdullah Gül verhängt werden. Für die AKP bieten sich jetzt verschiedene Möglichkeiten, einem tatsächlichen Verbot zu entgehen. Es wird ein Wettlauf mit der Zeit.

AKP LogoDas türkische Verfassungsgericht hat einen Verbotsantrag gegen die Regierungspartei AKP einstimmig zur Verhandlung angenommen. Zusätzlich fordert Generalstaatsanwalt Abdurrahman Yalcinkaya auch ein fünfjähriges Politikverbot gegen 71 führende AKP-Politiker. Neben Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist auch Staatspräsident Abdullah Gül angeklagt.

Kern der Anklage ist die Lockerung des Kopftuchverbots der AKP mit den stimmen der MHP für Studentinnen an Universitäten, dass wegen Widerstand der meisten Rektoren bisher kaum umgesetzt werden konnte.

Nun bieten sich der AKP einige Möglichkeiten an: Entweder wird die Verfassung dahingehend geändert, dass Parteiverbots nur noch im Falle der Befürwortung politischer Gewalt zuzulassen ist. Die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit dürfte aber fehlen. Weitere Option ist die Reformierung des Verfassungsgerichts. Statt elf soll es dann 17 Richter geben, um das Kräfteverhältnis zugunsten der AKP zu ändern. Als Ultima Ration steht der AKP noch der Weg eines Referendums offen. Sollte es dazu kommen, dürfte es spannend werden. Dann käme es darauf an, ob es der AKP gelingt, ein Referendum noch vor einem Urteil durchzuführen.

Jedenfalls stellt der Konflikt den bisherigen Höhepunkt im Machtkampf der AKP gegen die alten kemalistischen Eliten in Militär, Bürokratie und Justiz dar. Der Ausgang scheint zum jetzigen Zeitpunkt ungewiss. Doch dürfte der Schaden im Falle eines Urteils zu Lasten der AKP der Türkei großen Schaden zufügen und die EU-Beitrittsverhandlungen zum Stillstand bringen.

Um sich die aktuelle Situation in der Türkei vorzustellen, muss man sich ein Verbotsantrag gegen die CDU und ein politisches Betätigungsverbot u.a. gegen Angela Merkel und Horst Köhler vor Augen führen. Vergegenwärtigt man sich die Welle in Deutschland, die bereits bei Diskussionen über einem möglichen Verbotsverfahren gegen die NPD angestoßen wird, dürften die Spannungen in der Türkei nachvollziehbarer werden.

12 Kommentare
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  1. Hallo Freunde,

    Dies soll kein Kommentar sein, sondern eine Bitte, mir zu helfen. Habt Ihr schon mal von einer
    Verwaltungsgerichtsentscheidung gehört, in der es um die Hinnahme der türkischen Staatsangehörigkeit
    ging, weil die türkische Rente aufgrund des Gesetzes Nr. 3201 (Nachentrichtung der Beiträge für die
    Dienszeiten im Ausland) bei Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit verloren geht.

    Für einen Hinweis wäre ich sehr dankbar.

    mit freundlichen Grüssen

    Remzi Kocak

  2. Herr Kocak,

    dieser Gedanke ist nicht abwegig.

    Eine Verwaltungsgerichtsentscheidung ist mir nicht bekannt. Wir haben mit Herrn Senol aber schon oft darüber nachgedacht, ob die doppelte Staatsbügerschaft nicht schon deshalb in Frage kommt, weil bei einer Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit die Rentenansprüche verloren gehen und dem Antragsteller dadurch ein erheblicher finanzieller Schaden zukommt.

    Soweit ich mich erinnern kann, gab es dazu eine Verwaltungsvorschrift, die besagt, dass ab einem finanziellen Schaden in Höhe von 12.000 € die doppelte Staatsangehörigkeit gewährt werden kann (Ermessensentscheidung). Dies läge bei Rentenansprüchen vor. Vielleicht kennt Herr Senol die genau Textstelle.

    MfG

  3. ich finde diesen verbotsantrag einfach nur schade… dein vergleich mit angela merkel etc. ist schon sehr eindeutig

    ich hoffe Europa redet dort ein wörtchen mit. schließlich soll das ganze ja demokratisch laufen. ich habe so das gefühl, das die türkei den stein kopf atatürk niemals loswird. und es kommt mir so vor, als wäre es nur ein winziger anteil an schlüsselpositionen die dort ständig die türkei in ihrere entwicklung um 10 oder mehr jahre in die vergangenheit schmeißen…

  4. Schön, dass es noch denkende Juristen in der Türkei gibt, dann wird auch das radikal-religiös-politische Kopftuch-Symbol wieder verschwinden.

  5. Der türkische Generalstaatsanwalt und die Wächter des Kemalismus sind kluge Köpfe, dass es auch dort denkende Juristen gibt, ist sehr wünschens- und begrüßenswert, auch wenn das Land eindeutig nicht zur EU gehört.

  6. So ein Verbotsantrag läuft ja mal nicht so eben – siehe NPD. Das bedeutet doch auch, das sich die Staatsanwaltschaft recht sicher sein muß, um einen solchen Schritt zu unternehmen !

    Und so ganz Unrecht haben sie ja wohl auch nicht – denn die AKP scheint das laizistische Verhältniss von Staat und Religion kontinurierlich aufweichen zu wollen.
    Man stelle sich mal vor, in Deutschland wäre eine konservativ / nationale Partei an der Regierung und würde versuchen, nach und nach wieder die Nürnberger Rassengesetzte in Kraft treten zu lassen !!!

    Der Verbotsantrag sollte / muß von allen Demokaten begrüßt und unterstützt werden – und nicht aus Angst vor islamsichen Radikalen kritisiert werden !

    Achim

  7. In der Türkei gehen die Demokraten auf die Straße um GEGEN die AKP zu demonstrieren. Ihre Angst : Die schleichende Islamisierung der Türkei.

    Meldet die Tagesschau : http://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei138.html

  8. @ Achim

    Na ja, die Partei hat über 46% erhalten vor nicht allzu langer Zeit. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus?

  9. So ist auch ein Hitler an die Regierung gekommen – eine Demokratie muß auch eine wehrhafte Demokratie sein, sonst hat sie sich schnell erledigt. Das in einer Demokratie die Macht vom Volk ausgeht, passt verscheidenen Ideologien überhaupt nicht in den Kram. Das solche innerhalb einer Demokratie wählbar sind … nunja – dagegen geht ja die Staatsanwaltschaft jetzt vor.

    Grüße

    Achim

  10. @ Achim

    Ich kann mich immer wieder nur darüber wundern, dass wir Deutschen alles und jedes mit Hitler vergleichen! Das ist beschämend und unhistorisch. Die AKP hat, gerade auch was den Dialog mit ethnischen und religiösen Minderheiten, Freiheits- und Bürgerrechte in der Türkei, den Versöhnungsprozess auf Zypern etc. anbelangt, sicher noch nicht genug erreicht – aber deutlich mehr, als zuvor in Jahrzehnten angeblich „laizistischer“ Herrschaft (in Wirklichkeit kontrolliert und finanziert der Staat die Religion – getrennt ist da gar nichts) gelaufen ist.

    Gegen das absurde und undemokratische Verbotsverfahren der alten Eliten gegen die demokratisch gewählte Regierung hat die europäische Kommission bereits entschieden protestiert. Diesem Protest schließe ich mich an.

  11. @Michael Blume:

    So sehe ich das auch. Die AKP hat innerhalb weniger Jahre mehr geleistet in Bezug auf Minderheiten als viele Regierungen zuvor. Leider werden die erzielten Fortschritte nicht in dem Maße wahrgenommen wie negative Einzelfälle. Dennoch sollte man die Leistung nicht schlecht reden. Das wäre kontraproduktiv.

  12. Die AKP wird nicht nur das Verbotsverfahren gewinnen. Sie werden danach die islamischen Ländern auf dem einzig richtigem Weg führen.

 

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