Arzt verweigert Behandlung einer Kopftuch tragenden Patientin

8. April 2008 | Von | Kategorie: Recht | 14 Kommentare |

In Kaltenkirchen (Schleswig-Holstein) verweigerte ein Arzt die Behandlung einer Frau und ihrer Tochter wegen ihrem Kopftuch. Auch Hippies oder Menschen, die ungewöhnliche Hüte oder kurze Hosen tragen, behandle er nicht.

Hier stellt sich die Frage, ob es für einen Arzt eine freie Patientenwahl gibt oder er nehmen muss, was kommt. Es ist zwischen Kassenärzten und privat abrechnenden Ärzten zu unterscheiden. Im folgenden beschäftigen wir uns mit Rechten und Pflichten von Kassenärzten, für die kein Kontrahierungszwang (sog. Vertragsabschlusszwang) gilt:

Arzt StethoskopGrundsätzlich gilt, dass beide Parteien gewisse Rechte haben: Ärztinnen und Ärzte achten das Recht ihrer Patientinnen und Patienten, die Ärztin oder den Arzt frei zu wählen oder zu wechseln. Andererseits sind – von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen – auch Ärztinnen und Ärzte frei, eine Behandlung abzulehnen. § 7 Abs. 2 (Muster-)Berufsordnung.

Der Bundesmantelvertrag Ärzte vereinbart aber zusätzlich:

Der Vertragsarzt darf die Behandlung eines Versicherten nur in begründeten Fällen ablehnen (§ 13 Abs. 7 BMV-Ä).

Gründe für die Ablehnung der Behandlung können sein:

  • Fehlendes Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt,
  • nicht Befolgung ärztlicher Anordnungen während der Behandlung,
  • Ãœberlastung der Praxis,
  • Störung des Behandlungsablaufes durch den Patienten,
  • Verlangen von unwirtschaftlichen Behandlungsmaßnahmen,
  • Behandlung außerhalb des Fachgebietes.

Eine Ablehnung eines Patienten wegen der Kopfbedeckung, der Bekleidung oder der Lebenseinstellung ist demnach unzulässig. Außerdem verstößt der Arzt mit dieser Begründung gegen die ärztlichen Verhaltensregeln:

Eine korrekte ärztliche Berufsausübung verlangt, dass Ärztinnen und Ärzte beim Umgang mit Patientinnen und Patienten

  • ihre Würde und ihr Selbstbestimmungsrecht respektieren,
  • ihre Privatsphäre achten,
  • über die beabsichtigte Diagnostik und Therapie, ggf. über ihre Alternativen und über ihre Beurteilung des Gesundheitszustandes in für die Patientinnen und Patienten verständlicher und angemessener Weise informieren und insbesondere auch das Recht, empfohlene Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen abzulehnen, respektieren,
  • Rücksicht auf die Situation der Patientinnen und Patienten nehmen,
  • auch bei Meinungsverschiedenheiten sachlich und korrekt bleiben,
  • den Mitteilungen der Patientinnen und Patienten gebührende Aufmerksamkeit entgegenbringen und einer Patientenkritik sachlich begegnen.

In solchen Fällen ist den Patienten zu raten, eine Beschwerde bei der Ärztekammer einzulegen und die eigene Krankenversicherung zu informieren.

Bildmaterial © OpaRolf / PIXELIO

14 Kommentare
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  1. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz muss auch mitberücksichtigt werden.

  2. @ Memet Kilic

    Es freut mich, Sie auf JurBlog begrüßen zu dürfen. Ich verfolge Ihre Arbeit mit großem Interesse.

  3. Schon ein fehlendes Vertrauensverhältnis kann gegeben sein, wenn der Arzt kein Vertrauen in die von der Religion der Dame vorgegebenen Verhaltensweisen hat, insbesondere auch hinsichtlich der psychischen Stabilität der Patientin.

  4. @ Ben,

    bei dem Vertrauensverhältnis geht es um das Vertrauen des Patienten in den Arzt. Der Arzt muss der Patientin nicht vertrauen, jedoch die Patientin, die dem Arzt ihre Gesundheit anVERTRAUT.

    Ist aber interessant, wie Du hier ohne Probleme eine Verbindung zwischen der Religionszugehörigkeit und der psychischen Stabilität der Patientin aufbauen kannst.

  5. E.S. fährt hier aus dem Arsenal der Jurisprudenz das schwere Geschütz auf, während es sich allein um eine ganz banale Geschichte handelt : ein schrulliger alter Mann hat eine abneigung gegen exotische oder schrille Kleidungen und Verkleidungen, obwohl von dieser hier weder eine Geruchsbelästigung noch eine Behinderung seiner Anamnese und Diagnose erfolgt. Er hat eben seine persönlichen Phobien , so wie in meinem Hause MacDonald und amerikanische rockmusik haram sind. Ein deutscher Freund berichtet, sein Vater, ein Altnazi, habe damals 1950 gedonnert : „Bluejeans, in MEINEM Hause, NIE.MALS !“ und die Mütter fanden sie unzüchtig, während die Jungen gerade begeistert waren, dass ihre Anatomie so vorteilig zur Schau kam. Ein Arzt im Dienst kann sich solche schrullen nicht erlauben, und da genügt eine Beschwerde bei der Ärztekammer. Haben wir auch schon mal gemacht, als ein ortsansässiger Augenarzt eine Notfalluntersuchung verwehrte, weil ich bei einem anderen, 80 km entfernten in Behandlung war. Wir erfuhren, dass dies nicht die erste Beschwerde war.

    Schlimm ist nur, weil manche nicht die ganze Nachricht lesen werden und nur das Kopftuch heraushören, also Islam, Türken, Diskrimination etc. Damit sind wir bei einer sensiblen Thematik angekommen. Offensichtlich hat der Gute keinen Sinn für political correctness.
    IN einem überdachten Unterrichtsraum wird natürlich weder eine Lehrerin noch eine Schülerin den Hidjab oder eine andere Vermummungvorführen, da er dort fälschlicherweise als Uniform eines militanten Fundamentalismus, als unzüchtig oder als unangebrachter Regenschutz angesehen und als störend empfunden wird. Eine Arztpraxis ist ein privater Geschäftsraum. Etwas anderes ist der Fall, den wir in Pariser Krankenhäusern wie Necker oder salpétrière hatten, wo Frauen mit Hidjab oder gar der burqqa zum Gynäkologen kamen und der Gatte, mit Bart und langem Gewand, bei der Untersuchung dabei sein wollte, oder darauf bestand, dass die Untersuchung von einer Ärztin vorgenommen werde. Als bescheidene Bitte lange im voraus formuliert wird man dem nach Möglichkeit entsprechen, bei offener Feindseligkeit werden die Leute einfach zum Kuckuck geschickt. Das Gesundheitsministerium hat hierfür durchführungsbestimmungen ausgearbeitet, welche das medizinische Personal absichern. Hintergrund war die Debatte, ob ein Krankenhaus auch eine öffentliche Einrichtung ist, wo den Besuchern und Patienten das Tragen „auffälliger, vorgeblich religiös motivierter Bekleidung“ verboten ist. Beim Personal wäre es natürlich ein Entlassungsgrund.

  6. Es muss ja nicht jeden interessieren, was wer nun schon wieder Verrücktes denkt und glaubt, weil er nur wenig weiß. Wenn den Mediziner vielleicht dieser Glauben und die Besonderheiten der Patientin einfach nicht interessieren, er mit dieser keinen Kontakt will und der Gesundheitszustand nicht akut ist, soll sie doch woanders hingehen.

  7. @ Ben und mfd

    Entscheidend ist nicht, worauf der Arzt Lust und Laune hat. Wenn er die Verweigerung der Behandlung mit sachlichen und nachvollziehbaren Gründen erklären kann, gibt es in der Tat keine Probleme. Ansonsten stellt dieses Verhalten ein Rechtsverstoß dar. Mehr Argumente braucht es in einem Rechtsstaat nicht.

  8. Diese sachlichen Gründe gibt es ja auch, da muss der Mediziner nur vorher einmal gut nachdenken.

  9. Genau, gerade den Mediziner hat es nicht zu interessieren, was der andere denkt. Grundsätzlich muss ich einem Arzt vertrauen können, dass er mich auch behandelt, selbst wenn er mich nicht ausstehen kann. Das bringt nun einmal der Arzt-Beruf mit sich. Wenn er damit nicht zurecht kommt, dann soll er den Kittel an die Wand hängen, weil er ist dann definitiv nicht geeignet für das Arzt-Dasein. Soll ich jetzt bei einem Anruf beim Notdienst jedesmal um einen Arzt bitte, der möglichst nichts oder nur wenig gegen Muslime hat?

  10. In akuten Fällen stimme ich zu, alles andere obliegt der Persönlichkeitsfreiheit des Arztes und seiner daraus resultierenden autonomen Entscheidungsfreiheit.

  11. Also ich weiß nicht, wie Sie sich das vorstellen. Die Regeln stellen nicht wir hier auf. Auch die Gesetze werden von anderen geschrieben. Ich glaube, dass sich daran auch dann nichts ändern wird, unabhängig von Ihren bisherigen und allen künftigen Ausführungen.

  12. Nun, denken und eigene Meinungen sind in einer Demokratie stets anzuraten und wünschenswert. Denn falls Sie es vergessen haben, in D gibt es die Meinungsfreiheit. 😉

  13. […] ihrer Tochter die Behandlung verweigert haben, weil diese ein Kopftuch getragen haben, berichtet jurblog.de. Allerdings scheint der Mann – wenn die Geschichte denn stimmen sollte, was ich aufgrund der […]

  14. Außer auf islamischen Seiten ist dieser Artikel nirgendwo zu lesen.

    Ich bezweifle den Wahrheitsgehalt.

 

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