CDU: Ein Zirkus vor und nach der Wahl

1. Februar 2008 | Von | Kategorie: Politik | Ein Kommentar |

Es tut sich was im Integrationsland Deutschland, fast jedenfalls. Als Reaktion zu Roland Kochs Wahlkampf forderten 21 prominente Deutschtürken in einem offenen Brief von der Union mehr Sachlichkeit in der Debatte um Jugendgewalt. 17 Unionspolitiker antworten auf den deutsch-türkischen Appell und distanzieren sich von Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch. In dem Brief steht, dass Integrationspolitik „so fundamental für die Zukunft unseres Landes ist, dass sie nicht zu einem Wahlkampfthema degradiert werden darf„. Jetzt rudern sie zurück: Koch wäre nicht gemeint.

Einer der Unterzeichner, Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust, habe im Nachhinein seinen hessischen Parteifreund in Schutz genommen:

Dieser Brief hat mit dem Wahlkampf von Herrn Koch nichts zu tun. Jeder macht seinen Wahlkampf, Herr Koch hat Spaß an der Zuspitzung

Auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla schloss sich dem Verteidigerlager an:

Dieser Brief ist eine Reaktion auf ungerechtfertigte Angriffe von Organisationen auf die CDU und hat mit der Wahlkampfauseinandersetzung von Roland Koch nichts zu tun

Koch könne sich auf „die volle Unterstützung“ der Union verlassen. In der Union gebe es hierzu keinerlei Dissens. Das Thema Jugendkriminalität sei für die CDU/CSU immer wichtig gewesen.

Dem letzteren kann man sich anschließen. Bereits im Frühjahr 2006 legten Unionsländer eine Gesetzesvorlage bzgl. der Verschärfung des Jugendstrafrechts vor. Der Gesetzentwurf von damals weichte nicht wesentlich von Kochs aktuellen Forderungen ab. Damals waren die Vorschläge aber aus Sicht von Angela Merkel nicht unterstützungsfähig. Mit ihrer Unterschrift vom 22. März 2006 dokumentierte sie die eindeutig ablehnende Haltung der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf (Drucksache 16/1027).

Dass es aber keinerlei Dissens zum Thema gäbe in der Union, erscheint in Anbetracht der bisher geäußerten Kritik insbesondere aus den Reihen der Union, als an den Haaren herbeigezogen. Roland Koch hat es während des gesamten Wahlkampfes nicht geschafft die Wähler davon zu überzeugen, dass es ihm wirklich um Problembekämpfung geht. Auch nach den Wahlen vermittelt die Union nicht den Eindruck, als ginge es ihnen nicht einzig und allein um Parteiinteressen.

Peter Ramsauer sagt jedenfalls, dass er den Brief nicht unterschrieben hätte. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach schloss sich der Kritik an:

Die Absender des Briefes legen großen Wert darauf, dass der Inhalt nicht als Distanzierung von der CDU Hessen und von Roland Koch aufgefasst wird, aber exakt dieser Eindruck wird erweckt. … Wir haben den Wahlkampf gemeinsam geführt, und wir haben das Ergebnis gemeinsam zu vertreten.

Selbst der Innenminister von Brandenburg, Jörg Schönbohm, bemängelte insbesondere den Einsatz des CDU-Wahlplakats mit der Aufschrift „Ypsilanti, Al Wazir und die Kommunisten verhindern!„. Er könne die Kritik daran nachvollziehen.

Alles in allem ist eins klar: Auch nach der Wahl geht es um Parteipolitik und Machterhaltungsinteressen und weniger um das Problem mit der Jugendkriminalität. Insbesondere die knappe Ausgangslage und die noch offen stehenden Koalitionsverhandlungen erfordern ein Zusammenhalt und Rückendeckung, möchte man das Land Hesse nicht verlieren. Der Ärger gegenüber Roland Koch innerhalb der CDU ist aber offensichtlich. Insbesondere dürfte die Analyse der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung die Damen und Herren in Rage gebracht haben. Die hessische CDU habe einen stark polarisierenden Wahlkampf geführt und damit Wechselwähler abgeschreckt:

Das Thema Jugendgewalt stieß auf große Resonanz, die politischen Lösungsansätze überzeugten weniger. Das habe zu einem „Glaubwürdigkeitsdefizit“ für die CDU und letztlich zu den Stimmenverlusten von zwölf Prozentpunkten geführt.

Ein Kommentar
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  1. Mit Ausländerfeindlichkeit ist keine Wahl zu gewinnen…

    Das musste Herr Koch nun schmerzlich erfahren. Egal wie die Koalitionsverhandlungen nun verlaufen, egal ob Herr Koch Ministerpräsident von Hessen bleibt oder nicht. Fakt ist, dass Roland Koch seinem Land, der Bundesrepublik und auch seiner eigenen Par…

 

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