Integrationsdebatte und Terrorismusbekämpfung trennen

1. Dezember 2006 | Von | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare |

Über Handakte WebLAWg bin ich auf ein Interview in der DW-World.de mit Guido Steinberg gestoßen. Auf die Frage, welche Auswirkungen terroristische Aktivitäten in Deutschland für Muslime haben, antwortet Herr Steinberg:

Schon jetzt haben die Nachrichten über Anschlagsplanungen Auswirkungen auf die Debatte über die Rolle von Muslimen in Deutschland. Immer mehr Deutsche sehen in der Präsenz von Muslimen in Deutschland ein Sicherheitsrisiko. Damit läuft die Debatte über die Integration von Zuwanderern Gefahr, mit Aspekten der Terrorismusbekämpfung befrachtet zu werden. Dies könnte zu einer verstärkten Polarisierung führen, die dem langfristigen Ziel, der Integration von Zuwanderern, schaden würde. Meines Erachtens sollten die Integrationsdebatte und die Diskussion über die Terrorismusbekämpfung strikt getrennt werden.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Auf die Frage, ob denn ein kompetenter Dialog mit den Muslimen als Prävention gegen islamistischen Terrorgefahr dienen könne, antwortet er mit:

Ein Dialog zwischen Muslimen und der Mehrheitsgesellschaft kann durchaus Spannungen beseitigen. Die Regierung könnte in einem Dialogprozess verdeutlichen, was sie von Muslimen erwartet. Muslime dagegen können ihre Beschwerden äußern. Meines Erachtens kann Deutschland durchaus noch entschlossener gegen islamistische Terroristen vorgehen, wenn parallel versucht wird, gegen die teilweise korrekte Wahrnehmung vieler Muslime vorzugehen, hier diskriminiert zu werden. Kurz gesagt: keine Toleranz in Sicherheitsfragen, mehr Offenheit im religiös-kulturellen Bereich. Generelle Kopftuchverbote oder das Verbot von rituellen Schlachtungen beispielsweise könnten aufgehoben werden, um auf diese Weise deutlich zu machen, dass es sich hier nicht um einen Kampf des Westens gegen den Islam, sondern ausschließlich um einen Kampf gegen islamistische Gewalttäter handelt. Solche Maßnahmen könnten in einem Dialog verabredet werden.

Auch dem ist nichts hinzuzufügen, außer dass nach wie vor von islamistischen Terroristen gesprochen wird. Entweder ist jemand ein Terrorist oder Muslim, Christ, Budist oder sonstwas, jedenfalls nicht religiös und zugleich Terrorist. Das sind zwei gegensätzliche Pole, die in Widerspruch zueinander stehen. Dennoch wird durch die Kombination der Begriffe islamistisch und Terrorist der Eindruck vermittelt, als wären das zwei untrennbare Eigenschaften eine Person. Mit solchen Unworten werden wird es nicht gelingen, dass Deutsche in der Präsenz von Muslimen ein Sicherheitsrisiko sehen.

Das belegt auch die neueste Studie des Zentrums für Türkeistudien an der Universität Duisburg-Essen. Das Bild des Islams in der veröffentlichten Meinung in Deutschland hat sich seit dem Jahr 2000 deutlich verschlechtert. Insbesondere würden Muslime seit dem Jahr 2000 überproportional oft als Terroristen und Gewalttäter dargestellt. Es handelt sich um eine quantitative Studie, die die Häufigkeit untersucht, mit der islamkritische, integrations- und sicherheitspolitische Themen erwähnt werden, und in einem zweiten Schritt, wie häufig diese Nennungen sich skeptisch, kritisch oder ablehnend gegenüber dem Islam äußern. Dafür wurden Protokolle von Bundestagssitzungen der Jahre 2000/2001 (Leitkulturdebatte) und 2003/2004 (Kopftuchstreit) untersucht; sie gelten als Belege der offiziellen öffentlichen Meinung. Als inoffizielle öffentliche Meinung werden in der Studie Presseberichte zum Thema Islam betrachtet, und zwar der Zeitschrift „Spiegel“ und der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ).

Für den Bundestag stellt die Studie fest, daß allein schon die Zahl der Debatten, die sich näher mit den Themen „Islam“ und „Muslime“ befaßten, in den beiden untersuchten Zeiträumen von 15 auf 31 gestiegen sei, was die gewachsene gesellschaftliche Bedeutung widerspiegelt. Der Tenor der Debatten habe sich verändert: 2000/2001 hätten allgemeine Aussagen gegen Diskriminierung, Dialogappelle und Plädoyers zur Prävention von Konflikten vorgeherrscht. 2003/2004 hätten die Abgeordneten sich häufiger für einen intensiveren Dialog, Prävention und mehr Bildungschancen für Muslime ausgesprochen. Auf dem zweiten Platz stehe nun die Darstellung von Muslimen als Terroristen; deutlich häufiger werde der Islam als Bedrohung beschrieben. Zugleich werde auch öfter hervorgehoben, daß nicht alle Muslime Terroristen seien. In den untersuchten Medien stieg die Zahl relevanter Artikel um mehr als das Doppelte. Während sich 2000 noch islamkritische Artikel und solche, die Muslime als Opfer darstellten (etwa während des Kosovo-Konflikts), die Waage hielten, überwogen in beiden Presseerzeugnissen 2003/2004 deutlicher als im Bundestag Nennungen, die Muslime als desintegriert, gewaltbereit und muslimische Frauen als unemanzipiert darstellten, im „Spiegel“ stärker als in der „WAZ“. Untersucht wurden – mit ähnlichen Ergebnissen – auch Fotos und Karikaturen.

Quelle: FAZ vom 30.11.2006 Seite 5, „Bild des Islams verschlechtert“

Ekrem Senol РK̦ln, 01.12.2006

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