Herr Schmidt gehört nicht mehr nach Deutschland

19. Oktober 2008 | Von | Kategorie: Feuilleton, Leitartikel | 8 Kommentare |

Die Verknüpfung von Sprachkenntnissen an den Ehegattennachzug wurde hierzulande zwar nicht laut aber nicht selten im innern bejubelt. Außer den leidtragenden Betroffenen und einigen wenigen Journalisten und Politikern beschäftigt sich kaum jemand mit der Problematik. Es scheint, als begrüßen nicht wenige die Verschärfungen im Ausländerrecht in den letzten Jahren.

Wer sich so gehen lässt, muss aufpassen! Marokko - Foto: Flickr - http://flickr.com/photos/vass_istvan/214638875/

Wer sich so gehen lässt, muss aufpassen! Marokko - Foto: Flickr - http://flickr.com/photos/vass_istvan/214638875/

Der Leitgedanke – wie ihn ein Kommentator hier aus dem JurBlog vortrefflich schildert – sieht folgendermaßen aus:

Wenn der Effekt des Gesetzes der ist, dass offenbar integrationsunwillige und -unfähige Türken (nicht selten auch nationalitisch und kulturell rückständig) aus meinem Vaterland heraushälten werden, so ist das Gesetz uneingeschränkt zu begrüssen.

Wohin allerdings die beinahe paranoiden Verschärfungslüste des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Ausländerrechts führen, wird in einem Artikel im Tagesspiegel vor Augen geführt:

Im April 2007 beantragten ein Herr Schmidt aus Göttingen – Sohn deutscher Eltern, in Rostock geboren, Ingenieur, in Thüringen und Mecklenburg aufgewachsen und Absolvent der DDR-Militärhochschule – zusammen mit seiner Ehefrau – seit knapp zwei Jahren verheiratet, Marokkanerin – ein Visum für die Ehefrau.

Dieser Antrag sei von der deutschen Auslandsvertretung unter Hinweis darauf, dass die Ehe eine Scheinehe sein k̦nne, verweigert worden. Nach dem die Eheleute den Vorwurf der Scheinehe beseitigen konnten und die Ehefrau den vorgeschriebenen Deutschtest bestanden hatte, wurde aber nicht etwa ein Visum erteilt. Nein, die zweite Verweigerung Рgerichtet an die Ehefrau als Antragsstellerin Рhatte folgenden Grund:

Es ist nicht ersichtlich, dass Ihr Mann stark in die deutsche Gesellschaft integriert ist … Er hat keinen Arbeitsplatz in der Bundesrepublik und ist auch nicht für Vereine oder Ähnliches tätig. Durch Ihre Angaben und auch durch die Ihres Mannes in den beiden Befragungen wird offensichtlich, dass Herr Schmidt stark dem arabischen Raum zugeneigt ist. Er ist praktizierender Moslem, schaut arabisches Fernsehen und weiß die marokkanische Kultur zu schätzen. Während der letzten eineinhalb Jahre hielt sich Ihr Mann fast acht Monate in Marokko auf.

Hintergrund der kuriosen Beweisführung ist § 28 Aufenthaltsgesetz. Demnach ist die Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland auch für Deutsche zumutbar, wenn sie Doppelstaaatler sind oder geraume Zeit im Herkunftsland des Ehegatten gelebt und gearbeitet haben und die Sprache dieses Staates sprechen.

Wem die Verschärfungen der letzten Jahre immer noch gefallen, sollte vorzugsweise zu Gott und nicht zu Allah – sonst problematisch – beten, dass er sich während des nächsten Auslandsurlaubs in keine einheimische Schönheit verliebt. Ist es dennoch passiert, sollten vorab einige Vorkehrungen getroffen werden, bevor ein Visumsantrag auf Ehegattennachzug gestellt wird: Vorher möglichst viele Vereinsmitgliedschaften abschließen, auf gar keinen Fall die Sprache der Künftigen Braut lernen und sie natürlich nicht zu oft und zu lange besuchen. Sonst laufen Sie Gefahr, nicht mehr nach Deutschland zu gehören.

8 Kommentare
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  1. Ich warte tagtäglich im Fernsehen auf einen Bericht, auf irgendeine „Ansprache“ zum Ehegattennachzug.
    Nur wird es tatsächlich nicht groß in den Medien angsprochen und diese Ignoranz macht einen betroffenen Wahnsinnig. Klar… Viel wichtiger im Moment ist natürlich die Finanzkrise.

    Was schwerverdienende Manager verbocken muss natürlich die Bundesregierung mal eben so wieder ausbaden, in dem sie Milliardenschwere „Rettungspakete“ zusammenbinden und den „Bedürftigen“ zuschieben.
    Ich hab vollstes Verständnis, klar.

  2. Grandios! Was geht in den Köpfen solcher Konsulatsangestellten vor? Da hilft wohl nur die ganz große Keule mit allen gerichtlichen Instanzen. Eine Unverschämtheit ist so etwas. Der Herr ist Deutscher, und solange er nicht die deutsche Staatsangehörigkeit abgegeben hat, bleibt er Deutscher. Hey, wo kommen wir denn da hin, wenn auf einmal von der Blut-und-Boden-Staatsangehörigen-Praxius wegkommen? (Nicht, dass ich die umbedingt begrüße.) das ist pure Willkür.

    Droht mir das auch bald, wenn ich wegen dienstlicher/beruflicher Gründe mehr als ein halbes Jahr im Ausland bin?

    MfG
    Tagedieb

  3. @ Tagedieb: Sei mal nicht überrascht, wenn es eines Tages mal so ist.

    Find die Stelle die besagt, dass der Mann nicht „stark in die deutsche Gesellschaft integriert ist“ und die das auch über die Mitgliedschaften in Vereinen messen bzw. definieren. Also ab zum Einschreiben beim nächsten sozialen Kegelverein. Lachhaft.

  4. ohhh… jetzt ist natürlich die Empörung groß!!! 😉

    Ausgerechnet einen Herrn SCHMIDT zu beschuldigen, nicht mehr DEUTSCH zu sein….!!! 🙂
    Soll ich Ihnen mal was sagen? Wenn von einem „Ali“ oder von einem „Mehmet“ die Rede wäre, der hier in Deutschland geboren ist und den gleichen Werdegang – wie oben Herr Schmidt es hatte, würden die Kommentare ganz anders lauten. Auch wenn Mehmet Ali die Deutsche Staatsanghörigkeit hätte 😉

    Ich will ja niemanden beschuldigen, aber sogar ich hätte dann einen nüchterneren Blick, obwohl das wirklich schade ist. Ich hab da nunmal auch so meine Vorurteile 😉

  5. Hallo Elif,
    sei mal nicht so pauschal. Schau mal im Lawblog nach, als die Sache Kurnaz und das Wissen von Hr. Seinmeier ob dieser Angelegenheit hochkam. Da wirst Du etliche Kommentare finden, die genauso gelagert waren, wie obige Kommentare.

    MfG
    Tagedieb

  6. Ja natürlich werde ich etliche Kommentare finden, die so „gelagert sind, wie die o. g. Kommentare“.
    Ich wollte eingentlich nur darauf aufmerksam machen, dass sogar ich von vielem geblendet werde und vieles auf Anhieb falsch deute…

    Wem geht es denn nicht so? Es war keine Absicht zu pauschalisieren, sorry wenn es so rüberkam.
    Habe doch herzlich darüber lachen müssen 😉 Ich muss halt manchmal schmunzeln, wenn ich auch etliche Kommentare in anderen Foren lese…. so ist das nunmal mit dem Internet und der Anonymität.

    Gruß

  7. Angedacht:

    Wäre es möglich, dass wenn Herr Schmitt als Deutscher einen Wohnsitz in einem anderen EU-Staat begründen würde, er mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Ehefrau dorthin mitnehmen könnte, da er als Eu-Ausländer im EU Ausland nicht benachteiligt werdend darf.

    Die dort der Ehefrau erteilte Niederlassungserlaubnis, würde auch in Deutschand gelten, ohne Sprachtest.

    Was wäre wenn ein Nicht EU Ausländer mit einer Niederlassungserlaubnis EU genauso vorgehen würde?
    .
    LI.

  8. Ihr Theoretiker müßtet die radikal-rassistische Politik a´la Merkel und Schäuble alle mal am eigenen Leibe verspüren. Wie anno 1945 : Wir haben das ja alles nicht gewußt ! Vielleicht würden dann gewisse Kommentatoren ein bißchen anders schreiben… !

 

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