Zu den Eckpunkten des bayerischen Einbürgerungstests

9. Februar 2006 | Von | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare |

Die FAZ berichtet über ein einheitliches Einbürgerungstest aus dem Hause CSU. Herr Dr. Rux fragt sich, ob denn die „üblichen Verdächtigen“ auch diesen Vorschlag, dass Augenmaß habe, als fremdenfeindliche Zuwanderungspolitik verdammen werden.

Das nehme ich zum Anlass um die bisher bekannten Eckpunkte mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Mal sehen, ob wir in meiner Person einen „üblichen Verdächtigen“ ausmachen können.

Die bayerischen Eckpunkte sehen vor:

  1. Vor einer Einbürgerung müssen Kenntnisse über Deutschland und seine Werte nachgewiesen werden. Herr Stoiber begründet das damit, dass Einwanderungsländer wie Kanada vor jeder Einbürgerung eine Befragung der Bewerber vorschrieben. Die notwendigen Kenntnisse könnten durch einen Staatsbürgerschaftskurs erworben werden.
  2. Die zuständige Behörde müsse vor einer Einbürgerung durch ein Gespräch einen persönlichen Eindruck von jedem Bewerber verschaffen.
  3. Ein Sprachtest soll zwingend vorgeschrieben werden. „Für neue Mitbürger, die in unserem Land ihre Zukunft haben wollen, ist die deutsche Sprache die entscheidende Voraussetzung für Integration und beruflichen Erfolg”, sagte Stoiber.
  4. Es soll eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz erfolgen. Vor jeder Einbürgerung müsse sichergestellt werden, daß ein Bewerber weder Mitglied einer verfassungsfeindlichen oder gewaltbereiten Organisation sei noch eine solche Organisation unterstütze.

Zu 1. Gegen Kenntnisse über Deutschland und seine Werte ist nichts einzuwenden. Denn die deutsche Staatsbürgerschaft ist mehr als nur ein gefestigter(er) Aufenthaltstitel, was jedem Einbürgerungsbewerber deutlich gemacht werden sollte. Allerdings sollte bei der Ausgestaltung dieser „Kenntnisse“ größter Sorgfalt auf Ausgewogenheit gelegt werden. Wenn dem Einbürgerungsbewerber in der Praxis wissenschaftliche bzw. vertiefte Kenntnisse abverlangt werden, kann das kontraproduktiv sein und die bereits rückläufigen Einbürgerungszahlen noch weiter in den Keller treiben.

Auch ist an einem Staatsbürgerschaftskurs nichts auszusetzen, wobei ich gerne wüsste, wer die Kosten dafür übernehmen soll. Der Einbürgerungsbewerber oder der Staat? Sowohl für das eine als auch für das andere lassen sich sicherlich viele gute Argumente aufführen, wobei ich mir eine Beteiligung beider an den Kosten durchaus und mit guten Gründen vorstellen kann. Eine „Beteiligung“ deswegen weil zum einen eine Einbürgerung bereits mehr als 500,- € pro Person kostet (ohne anfallende Ausbürgerungsgebühren aus der alten Staatsbürgerschaft) und durch eine weitere Belastung die Einbürgerungsfrage, die ja eigentlich eine Bekennensfrage ist, nicht noch mehr zu einer finanziellen Frage wird und zum anderen deswegen, weil der Staat dann ein Zeichen setzt, dass das nicht nur „Geldmacherei“ ist sondern ihm wirklich daran gelegen ist, dass der Einbürgerungsbewerber an die deutsche Staatsbürgerschaft herangeführt werden soll. An der Einbürgerung von Ausländern haben sowohl der Staat als auch der Bewerber ein Interesse, weswegen eine Beteiligung beider eine angemessene Lösung sein sollte.

Auszusetzen habe ich aber doch noch etwas. Die Begründung des Herrn Stoiber signalisiert mir, dass er sich mit der Materie, wie schon so oft in Ausländerfragen, nur oberflächlich auseinandergesetzt hat.

Zu 2. Über das Gespräch mit dem Einbürgerungsbewerber durch die zuständige Behörde bin ich mir nicht ganz im Klaren. Bevor nähere Einzelheiten bekannt werden, wäre alles Spekulation. Jedoch sind hier möglichst genaue Vorgaben notwendig, die regeln, wie die Eindrücke gewonnen werden sollen. Auch muss Wert darauf gelegt werden, dass Willkür möglichst ausgeschlossen ist, da Ausländer- und Einbürgerungsbehörden häufig dazu neigen, ihr Ermessen zum Nachteil des Ausländers auszuüben.

Zu 3. Der Sprachtest ist sicherlich ein wichtiges Kriterium für die Aufnahme in den deutschen Staatsverband und sollte selbstverständlich vorausgesetzt werden. Allerdings sollten die Anforderungsgrenzen des BVerwG beachtet werden wonach es ausreicht, dass der Einbürgerungsbewerber einen deutschsprachigen Text des täglichen Lebens lesen und deutsch diktieren sowie das von Dritten oder mit technischen Hilfsmitteln Geschriebene auf seine Richtigkeit überprüfen kann und somit die schriftliche Äußerung als seine trägt. Weitergehende Anforderungen halte ich für unnötig.

Zu 4. Dieser Punkt ist enorm wichtig, wenn es darum geht, Verfassungsfeinde auszusondern von denen, die sich für die freiheitlich demokratische Grundordnung bekennen. Abgesehen davon, dass vor Einbürgerungen in den meisten Bundesländern bereits eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz erfolgt, ist dieser Punkt bereits im § 11 StAG geregelt, die auch auf § 54 Nr. 5 und 5a AuftenhG verweist.

Allerdings würde ich Herrn Stoiber hier wörtlich nehmen wollen und wirklich nur diejenigen nicht einbürgern, die Mitglied einer verfassungsfeindlichen oder gewaltbereiten Organisation sind. Von dieser Regelung dürften dann allerdings diejenigen nicht erfasst werden, die sich in Organisationen betätigen, die lediglich im Verdacht stehen, verfassungsfeindlich zu sein. Diese Praxis ist in den letzten Jahren, besonders in den südlichen Bundesländern, an der Tagesordnung. Obwohl die Rechtsprechung sich mit diesem Thema oft befassen musste und bereits konkrete Vorgaben gemacht hat, werden diese teilweise bewusst missachtet. Hierzu fällt mir spontan die jüngste Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums in anderer Angelegenheit ein.

Nach der Rechtsprechung muss der Ausländer persönlich eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen (VGH BW, EZAR 277 Nr. 10). Für die Annahme, dass von einem Ausländer persönlich eine Gefahr für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht, genügen nicht reine Vermutungen, sondern es muss eine auf Tatsachen gestützte, nicht bloß entfernte Möglichkeit des Schadenseintritts bestehen (VG Bremen, InfAuslR 1999, 208). Nimmt ein Ausländer lediglich an Veranstaltungen teil, in denen von Personen zur Gewaltanwendung aufgerufen wird, so erfüllt dies noch nicht den Ausweisungstatbestand (VGH BW, EZAR 277 Nr. 10).

Im Lichte dieser Rechtsprechung eine Beispielbegründung von vielen, für eine Ablehnung:

  • „… weil anlässlich einer von der muslimischen Gemeinde in einer Kulturhalle durchgeführten Veranstaltung, ihr Fahrzeug festgestellt worden ist.“

Die Behörde ginge davon aus, dass er an der Veranstaltung teilgenommen habe. Angesichts der Tatsache, dass die Gemeinde vom Verfassungsschutz beobachtet werde, müsse der Einbürgerungsantrag abgelehnt werden auch wenn der Verfassungsschutz die Gemeinde als nicht gewaltbereit einstufe. Diese Begründung entbehrt, im Lichte der aufgeführten Rechtsprechung, jeglicher Grundlage.

Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass die im Ablehnungsschreiben genannte muslimische Gemeinde, in dessen Veranstaltung der Betroffene teilgenommen haben soll, im Zusammenhang mit den Karikaturenstreit, mit 15 weiteren türkischen und muslimischen Verbänden zur Besonnenheit aufgerufen und Gewalt ausdrücklich abgelehnt hat.

Es ist ungemein wichtig, wenn es um Einbürgerung geht, sorgfältig vorzugehen um den Verfassungsfreund vom Verfassungsfeind zu trennen. Dabei sollte größter Wert darauf gelegt werden, dass Verfassungsfreunde erhalten bleiben und nicht durch absurde Ablehnungsbegründungen womöglich ins falsche Lager gedrängt werden. Das können wir uns in Zeiten wie diesen nicht leisten.

Ekrem Senol – Köln, 09.02.2006

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