Groß: Das deutsche Integrationskonzept – vom Fördern zum Fordern?

15. Oktober 2007 | Von | Kategorie: Gesellschaft | Ein Kommentar |

Prof. Dr. Thomas Groß durchleuchtet in der aktuellen ZAR (Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, 2007, 315) die deutsche Integrationspolitik der letzten Jahre anhand der jüngsten Gesetzesänderungen. Das Wort „Integration“ im Aufenthaltsgesetz geht auf die von Bundesinnenminister Otto Schily eingesetzte Unabhängige Kommission Zuwanderung zurück. Darin wird festgestellt, dass Zuwanderung keine Bedrohung ist, sondern als Bereicherung verstanden und auch im Interesse der Aufnahmegesellschaft liegen kann. Als Ziel der Integration wird eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unter Berücksichtigung kultureller Vielfalt angegeben. Außerdem wird betont, dass dazu beiderseitige Anstrengungen sowohl der Aufnahmegesellschaft wie der Zuwanderer erforderlich sind. Daher soll Integration durch „Fördern und Fordern“ erreicht werden.

Wenn man allerdings die politischen Diskussionen der letzten Jahre analysier, steht Integration oft weniger für ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen von Aufnahmegesellschaft und Migranten, sondern vielmehr für eine Anpassung der Zugewanderten an die Vorgaben der deutschen Sozialordnung. Auch wenn der insofern deutlichere Begriff der Assimilation heute kaum noch gebraucht wird, ist er in Wirklichkeit oft gemeint. …

Die neue Programmatik [im Aufenthaltsgesetz] wird bereits in der Ãœberschrift des dritten Kapitels deutlich, denn dort wird der Begriff „Förderung“ gestrichen [alte Ãœberschrift : „Förderung der Integration“; neue Ãœberschrift: „Integration„], um klarzustellen, dass die Vorschriften nicht ausschließlich der Integrationsförderung dienen. …

Erstmals werden nun für eine bestimmte Gruppe Integrationsforderungen bereits für die Erlaubnis der Einreise aufgestellt [einfache Verständigung in deutscher Sprache vor Nachzug des Ehegatten eines Ausländers (§ 30 I 1 Nr. 2 AufenthG)]. … In den folgenden beiden Sätzen finden sich allerdings nicht weniger als dreizehn verschiedene ausnahmetatbestände, u.a. für bestimmte Berufsgruppen und für Ausländer aus privilegierten Herkunftsländern. So brauchen etwa Japaner generell keine Deutschkenntnisse nachweisen, wohl aber Bürger aus Singapur. Als Ziel dieser neuartigen Regelung wird vor allem die Verhinderung Zwangsehen angegeben. Schon die Prämisse dieser Zweckbestimmung ist fraglich, denn damit wird unterstellt, dass Grundkenntnisse der deutschen Sprache quasi automatisch die Entscheidungsfreiheit erhöhen. Zumindest ein Nebenzweck ist offensichtlich die Reduzierung des Familiennachzugs.

Dieses Erfordernis ist heftiger Kritik ausgesetzt. es konfligiert zunächst mit dem Prinzip der Chancengleichheit und damit Art. 3 I GG, die praktischen Möglichkeiten zum Erwerb deutscher Sprachkenntnisse in den verschiedenen Ländern der Welt und auch nach dem Einkommen und Bildungsstand der betroffenen Ausländer natürlich sehr unterschiedlich sein werden. Die Entwurfsbegründung verweist lapidar darauf, dass die Teilnahme an Kursen auch in weiter entfernten Gegenden Gastlandes zumutbar sei …

Damit ist auch die Zulässigkeit dieser Anforderung im Hinblick auf den Schutz von Ehe und Familie fraglich. … Bedenklich ist jedenfalls das Fehlen einer allgemeinen Härtefallklausel. …

Ob dieses Erfordernis mit der EG-Richtlinie zur Familienzusammenführung vereinbar ist, ist ebenfalls umstritten, das sie in Art. 7 II zwar vorsieht, dass im Zusammenhang mit dem Ehegattennachzug „Integrationsmaßnahmen“ von den Mitgliedsstaaten verlangt werden können, aber offen lässt, wann sie erfolgen. In der Anhörung vor dem Bundestags-Innenausschuss ist zutreffend darauf hingewiesen worden, dass sich aus dem Vergleich mit anderen Bestimmungen über Integrationsanforderungen ergibt, dass hiermit keine Bedingungen für die Einreise, sondern nur die Teilnahmepflicht an späteren Fortbildungsmaßnahmen gemeint ist. …

Ein Kommentar
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  1. Die Vergewaltigung des Wortes Integration ist schon erstaunlich.
    Einmal hü un dann mal wieder hot.
    Also so funktioniert das Vorzeigemodell Demokratie in Deutschland.
    Wie das Fähnchen im Wind.

 

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