Jürgen Todenhöfer – These 5 von 10: Nicht nur in der Bibel, auch im Koran sind die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten die zentralen Gebote.

14. April 2008 | Von | Kategorie: Feuilleton | 3 Kommentare |

Heute die 5. von 10 Thesen: „Nicht nur in der Bibel, auch im Koran sind die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten die zentralen Gebote.“ mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Todenhöfer auf JurBlog.de.

Beim Vergleich der Texte erweist sich der Koran als mindestens so tolerant wie das Alte und das Neue Testament. Zwar drücken sich Gott und seine Propheten in allen drei Schriften teilweise sehr martialisch aus. So heißt es im Alten Testament im Buch Numeri 31,7.15.17: „Sie zogen gegen Midian zu Feld, wie der Herr es Mose befohlen hatte, und brachten alle männlichen Personen um (…) Er (Mose) sagte zu ihnen: Warum habt ihr alle Frauen am Leben gelassen? (…) Nun bringt alle männlichen Kinder um und ebenso alle Frauen, die schon (…) mit einem Mann geschlafen haben.“

Im Neuen Testament wird Jesus bei Matthäus 10,34 zitiert: „Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ In seinen Tischreden erklärte der wortgewaltige Protestant Martin Luther: „Mit Ketzern braucht man kein langes Federlesen zu machen. Während sie auf dem Scheiterhaufen zugrunde gehen, sollte der Gläubige das Übel an der Wurzel ausrotten und seine Hände im Blute der Bischöfe und des Papstes baden.“ Nicht weniger kriegerisch heißt es im Koran in Sure 4,89: „Sie wünschen, dass ihr ungläubig werdet, wie sie ungläubig sind (…). Nehmt (…) keinen von ihnen zum Freund, ehe sie sich nicht auf Allahs Weg begeben. Und wenn sie (in offener Feindschaft) den Rücken kehren, ergreift und tötet sie, wo immer ihr sie findet.“

Extremisten und Hassprediger in Ost und West vernachlässigen fast immer den historischen Kontext dieser Passagen.

Extremisten und Hassprediger in Ost und West vernachlässigen fast immer den historischen Kontext dieser Passagen. Moses, Jesus und Mohammed wurden nicht in ein geschichtliches Vakuum hineingeboren, sondern in eine kriegerische Welt. Bei oberflächlicher Betrachtung wäre das Alte Testament in seinen historischen Ausführungen übrigens das blutigste der drei heiligen Bücher – viel blutiger als der Koran. Jeder Kenner des Alten Testaments weiß jedoch, dass dessen zentrales Gebot – nach dem Gebot der Gottesliebe und der Gerechtigkeit – lautet: „Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst!“ (Levitikus 19,18). Auch für Christen sind Nächstenliebe und Gerechtigkeit nach der Liebe zu Gott die wichtigsten Gebote (Matthäus 5,6.10).

Die kriegerischen Passagen des Korans beziehen sich „erkennbar auf die damaligen Glaubenskriege zwischen Mekka und Medina

Todenhöfer - Warum tötest Du, Zaid?Für Muslime stellt der Koran fest: „Seid gut (…) zu dem Nachbarn, sei er einheimisch oder aus der Fremde“ (Sure 4,36). Auch im Islam gelten die „Zehn Gebote“ einschließlich des Tötungsverbots – mit Ausnahme des Sabbat-Gebotes, da Gott nach islamischer Auffassung nach der Erschaffung der Welt keinen Ruhetag benötigte. Der Koran plädiert für „mehr Menschlichkeit und mehr Gerechtigkeit“ (Hans Küng). Das Hauptproblem der westlichen Korandebatte besteht darin, dass jeder über ihn redet, aber kaum einer ihn gelesen hat. Die kriegerischen Passagen des Korans beziehen sich „erkennbar auf die damaligen Glaubenskriege zwischen Mekka und Medina und damit ausschließlich auf die Mekkaner und Medinesen jener Zeit“, wie der ägyptische Religionsminister Mahmoud Zakzouk zu Recht festgestellt hat.

In Sure 29,46 heißt es: „Unser Gott und euer Gott ist ein und derselbe“, auch wenn Gott auf Hebräisch Jahwe und auf Arabisch Allah heißt – selbst für arabische Christen. Ist es nicht eine ungeheuerliche Gotteslästerung, wenn Juden, Christen und Muslime die Bibel und den Koran als Waffe missbrauchen, um sich gegenseitig ihre Vorstellung von diesem einen Gott einzubläuen?

Terror ist nie religiös: Es gibt keinen „islamischen“ Terrorismus, so wie der Terrorismus der nordirischen IRA nie „christlich“ oder „katholisch“ war.

Terror ist nie religiös: Es gibt keinen „islamischen“ Terrorismus, so wie der Terrorismus der nordirischen IRA nie „christlich“ oder „katholisch“ war. Wer sich als Terrorist teuflischer Methoden bedient, kann sich nicht auf Gott berufen. Es gibt lediglich einen islamisch maskierten Terrorismus, und der führt, wie christlich oder demokratisch maskierte Angriffskriege, nicht ins Paradies, sondern in die Hölle. Die Behauptung, Gewalt sei vor allem ein religiöses Problem, ist eine atheistische Legende. Die Menschen mordeten, bevor es Religionen gab und danach. Die Massenmorde der Nationalsozialisten wie auch der sowjetischen und der chinesischen Kommunisten sind der traurige Beweis dafür, dass der Mensch das grausamste aller Geschöpfe ist – mit und ohne Religion.

Die erschreckende Faszination des heutigen Selbstmordterrorismus beruht auf zwei Schamlosigkeiten: Auf der Schamlosigkeit einiger westlicher Politiker, die noch immer im 10 : 1-Rhythmus muslimisches Blut vergießen. Und auf der Schamlosigkeit, mit der die Hintermänner des Terrorismus den Koran verdrehen und jungen Muslimen vorgaukeln, sie müssten sich nur als Selbstmordattentäter in die Luft sprengen, um zu Märtyrern des Islam zu werden.

Zur Person:

Dr. Jürgen Todenhöfer (67) ist seit über zwanzig Jahren Manager eines europäischen Medienunternehmens. Zuvor war er 18 Jahre lang Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Sprecher der CDU/CSU für Entwicklungspolitik und Rüstungskontrolle. Er schrieb zwei Bestseller über den Afghanistan- und den Irakkrieg. Mit seinem Honorar baute er ein Kinderheim in Afghanistan; ein Kinderkrankenhaus im Kongo ist zurzeit im Bau. Mit dem Autorenhonorar von „Warum tötest Du, Zaid“ wird er im Mittleren Osten ein israelisch-palästinensisches Versöhnungsprojekt und ein Hilfsprojekt für schwerverletzte irakische Flüchtlingskinder finanzieren.

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Aus der Reihe „Warum tötest Du, Zaid?“:

3 Kommentare
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  1. Öffentliche Abbitte

    Ich habe mich über die erste These von dr. Todenhöfer sehr negativ geäußert, weil er mit so allgemeinen Ausdrücken wie DIE Muslime, DER Westen ohne jegliche differenzierung und kaum Quellenangaben daherkam. Auf das Ganze bezogen, war das wohl vorschnell.
    Todenhöfer ist eben kein wissenschaftlicher Historiker, und wenn man über meine religion und mein Land polemisch herfällt, brause ich auf.

    Der heutige Beitrag hat mich beeindruckt, weil sich Todenhöfer da mit Referenzen als Religionswissenschaftler profiliert.
    Ãœber das Buch der Narreteien Leviticus wäre noch viel mehr zu sagen, da es die religion quasi diffamiert und Gott lästert. Gerade im Buch 19 (aus dem Gedächtnis zitiert) , stehen so Dinge, dass eine frau, die ein Gewwand aus zwei verschiedenen Fasern trägt, also baumwolle mit Polyacryl versponnen, gesteinigt werden soll, dem will sich der Verband der israëelischen Textilindustrie nicht anschließen ; in dem steinigen Lande fehlte es auch an ausreichend Steinen. Ein Bauer, der zwei verschiedene Tiere, also Ochs und Esel, an den Pflug anspannt, soll gesteinigt werden, und mehr der Grausamkeiten. Der anonyme „Brief an Dr. Laura Schlesinger“, der im Internet zirkuliert, nimmt den Unsinn genüsslich auf die Schippe, in der Nachfolge von Voltaire. Auch Meeresfrüchte sind da ein Gräuel vor dem Herrn, aber nicht vor den Wirten der Strandrestaurants von Haïfa.

    Es ist also ein bedeutender Text, den Todenhöfer weiter ausbauen und vertiefen sollte. Er sollte vor allem nicht vom Islam sprechen, sondern von den islamischen Konfessionen. Das Thema der Liebe Gottes, die Liebe zu Gott und die Liebe zum Menschen drücken sich oft im Lobe der schönheit, des Lichtes, der Blumen, des Weins in der Soufidichtung und, mirnicht zugänglich, im alevitischen Gesang und Gebet aus.

    Wenn aber Todenhöfer von Religion spricht, sollten gewisse athéistische Klugscheisser, die nicht einmal die Bedeutung des Wortes G+tt kennen, auch aufhören, in diesem gesellschaftspolitischen Forum zu schwadronieren und sich mit ihrem Halbwissen aufblähen. Wer bin ich, um über Medizin zu reden, wie kann ein Ungläubiger über Glauben reden, wenn er nicht glaubt. Er blamiert sich nur, und ist den Gläubigen ein Ärgernis.

    Aber nochmals, Abbitte, dr. Toodenhöfer.
    Francis

  2. Francis,

    „Wenn aber Todenhöfer von Religion spricht, sollten gewisse athéistische Klugscheisser, die nicht einmal die Bedeutung des Wortes G+tt kennen, auch aufhören, in diesem gesellschaftspolitischen Forum zu schwadronieren und sich mit ihrem Halbwissen aufblähen. Wer bin ich, um über Medizin zu reden, wie kann ein Ungläubiger über Glauben reden, wenn er nicht glaubt. Er blamiert sich nur, und ist den Gläubigen ein Ärgernis.“

    Du hast hier eine Behauptung geäußert (was absolut legitim ist), um aber die Grundlage für eine Diskussion zu formulieren (was ja Sinn dieses Blogs ist, wie ich annehme), solltest du diese Behauptung auch begründen können.

    Nicht-Gläubige können sich nicht zu Glaubenssystemen äußern und und Nicht-Mediziner können sich nicht zu medizinischen Fragestellungen äußern? Die logische Schulssfolgerung wäre doch dann: „Wie kann sich ein Nicht-Nazi über die nationalsozialistische Anschauung reden, wenn er kein Nazi ist?“

    Zunächst stellt sich einmal die Frage, was einen gläubigen Menschen von einem gläubigen Menschen unterscheidet. Nehmen wir einmal an, es würden weltweit etwa 1000 Gottheiten angebetet. Ein Anhänger einer monotheistischen Religion glaubt an einen Gott, an 999 Götter glaubt er nicht. Bei einem Nicht-Gläubigen ist es eben ein Gott mehr, an den nicht geglaubt wird. Der Unterschied ist also nur rein gradueller Natur.

    Und in diesem Zusammenhang Nicht-Gläubige per se als „gewisse atheistische Klugscheißer“ zu bezeichnen und ihnen die Legitimität abzusprechen, sich zu Themen mit religiösen Bezügen äußern zu können, indem man fordert, sie mögen „aufhören, in diesem gesellschaftspolitischen Forum zu schwadronieren und sich mit ihrem Halbwissen aufblähen“, ist nicht gerade diskussionsfördernd.

  3. Auch diese These von Todenhöfer ist wenig hilfreich, eine Diskussion darüber anzuregen, wie ausgeprägt die Gewaltbereitschaft des Islam (nicht) ist – unabhängig davon, welche Ansprüche er an seine Thesen stellt (auch bei nicht-wissenschaftlichen Ansprüchen).

    Bei allen nennenswerten religiösen Anschauungen gibt es eine Kausalität zwischen Religion und Gewalt. Für jede zitierte Koran- oder Bibelstelle zur Liebe zum Nächsten lassen sich 10 Stellen zitieren, wo Gott Massenmord und menschenverachtende Quälerei anordnet.

    So wird Saul im 1. Buch Samuel von Gott befohlen, alle Amalekiter zu ermorden. Weil Saul aber, den Amalekitischen König am Leben lässt (also den Genozid nicht mit der von Gott befohlenen Gründlichkeit durchgeführt hatte), wird Saul von Gott mit der Aberkennung der Königswürde bestraft.

    Es stellt sich also nicht die Frage der moralischen Qualität der zentralen Koran-Thesen. Es stellt sich die Frage, ob die Bibel eine allgemeinverbindliche (d.h. für alle Menschen – gläubige und nicht-gläubige) Letztbegründung für moralisches Handeln sein kann. Die Bibel kann diese Funktion nicht erfüllen. Sofern diese These von Todenhöfer zutreffend ist (und der Koran gleichwertig zur Bibel anzusehen ist), dann kann der Koran das genauso wenig.

 

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