Archiv für 2007



Moscheebau in Köln Ehrenfeld und CDU’s Phobien

Von | 16. August 2007 | Kategorie: Politik | 16 Kommentare

Ein Hauch von Kulturkampf war am Dienstagabend in Köln zu verspüren. Im Streit um den Moscheebau im Stadtteil Ehrenfeld sei „Widerstand Bürgerpflicht“, bekannte ein Redner auf dem Mitgliederparteitag der Kölner CDU unter dem Beifall seiner Parteifreunde. Ein anderer Redner fragte, womit der in Deutschland gewährte Vertrauensvorschuss für den Islam gerechtfertig sei.



Ein Dialog in der Ausländerbehörde über Behördenhierarchie, Geld und Befristung von Aufenthaltstiteln

Von | 14. August 2007 | Kategorie: Recht | Ein Kommentar

Folgende Situation: Es geht um die Erteilung von Aufenthaltstiteln an eine türkische Familie, die seit über 30 Jahren in Deutschland lebt und arbeitet. Sie hatten die deutsche Staatsbürgerschaft nach dem Wegfall der sog. Inlandsklausel wegen ihrer doppelten Staatsbürgerschaft verloren. Im folgenden Dialog mit Herrn XY, dem Leiter der Abteilung, geht es um die Befristung des […]



Die Anwendung der Folter im deutschen Strafprozessrecht

Von | 14. August 2007 | Kategorie: Recht | 8 Kommentare

Nach Auffassung von Künßberg war der Gebrauch der Folter den Germanen zunächst unbekannt. Fest steht jedoch, dass die Germanenreiche, die auf römischem Boden gegründet wurden, nach dem Vorbild des römischen Rechts die Folter in ihre Gesetzgebung aufgenommen hat[1]. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass sich die Folter bei den Germanen eigenständig entwickelt haben kann, und dass später bei den Aufzeichnungen der germanischen Stammesrechte der entsprechende Terminus des römischen Rechts einfach übernommen wurde. Diese These gilt seit der grundlegenden Abhandlung von Winfried Trusen über „Strafprozeß und Rezeption“ aus dem Jahre 1984 als widerlegt[3].

Die Folter durfte nach römischem Recht ursprünglich nur gegen Unfreie angewendet werden, was ihre Rechtfertigung in der umfassenden Macht des „pater familias“ fand[5]. Uneingeschränkt galt dies jedoch nur für die Zeit der Republik. Im Prinzipat und in der Kaiserzeit wurde die Praxis zum Teil auch auf Freie ausgedehnt. Dies spiegelt sich im Codextitel „De quaestionibus“ (C.9.41), der in mehreren Stellen die Zulässigkeit der Folter auch gegen Freie dokumentiert[6].

Mit Ausnahme des westgotischen Rechts büßte die Folter in den germanischen „Nachfolge-Staaten“ erheblich an Bedeutung ein. Der Grund hierfür war das Prinzip der Verbrechensverfolgung des „germanischen Rechtsdenkens“. Ein gerichtliches Verfahren wurde nämlich nur dann eingeleitet, wenn der Verletzte Anklage erhob. Die Folter war „ein Produkt einer ganz anderen staatlichen Organisation, die in der Verbrechensverfolgung eine Staatsaufgabe und keine Angelegenheit einer Prozesspartei sah[7].

Der Inquisitionsprozess

Durch den Inquisitionsprozess im 13. Jahrhundert erlangte die Folter ihre alte Bedeutung zurück. Sie wurde nunmehr auch in „normalen“ Verfahren zur Erlangung eines Geständnisses eingesetzt[8]. Der Grund hierfür war die Vorstellung, dass jeder Verbrecher vom Teufel besessen sei und dies nur durch die Folter gebrochen werden könne[9]. Ferner reichten in der gerichtlichen Beweisführung für eine Verurteilung weder Indizien noch eine sonstwie geartete freie Überzeugung des Gerichts aus. Vielmehr war ein Geständnis oder die Aussage zweier Zeugen erforderlich, die den Täter bei der Tat selbst gesehen haben müssen[10]. Da Tatzeugen nur selten zur Verfügung stehen, entwickelte sich das Geständnis zu dem entscheidenden Beweismittel: confessio est regina probationum (=das Geständnis ist die Königin der Beweismittel)[11]. In dieser Form ist die Folter erstmalig im Stadtrecht von Wiener Neustadt bezeugt[12].

Hexenprozesse

Bereits im 13. Jahrhundert stand die Zauberei in der „Treuga Heinrici“ unter Strafe. Aber auch bekannte Rechtsbücher wie beispielsweise der Sachsen- und Schwabenspiegel oder die Carolina enthielten Bestimmungen, die das „crimen magiae“ mit schwerer Strafe bedrohten. Durch den Einfluss der Kirche seit dem Ende des 15. Jahrhunderts entwickelte sich die Zauberei zusätzlich zu einem schweren Religionsdelikt. Papst Innozenz VIII. (1484-1492) ordnete mit der sogenannten Hexenbulle „Summis desiderantes affectibus“ vom 5. 12. 1484 die strafrechtliche Verfolgung hexenverdächtiger Personen an. Mit seinem Einverständnis verfassten daraufhin die beiden Dominikanermönche Heinrich Institoris und Jakob Sprenger den berüchtigten „malleus maleficiarum“, den sogenannten Hexenhammer[13], der den Inquisitionsprozess verschärfte. Der Hexenprozess entwickelte sich zu einem Ausnahmeverfahren, der in anderer Weise als bei anderen Verbrechen geführt werden dürfe[14]. Somit war die strafrechtliche Verfolgung in Art und Maß „aufs willkürlichste gesteigert“[15].

Bekir Altas – Duisburg, 13.08.2007

Teil 1: Der Kampf gegen die Folter

______________________________

[1] Schröder/Künßberg: Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, S. 399
[2] Lieberwirth, in: Thomasius, Christian: Über die Folter, Untersuchungen zur Geschichte der Folter, S.43; Amira: Grundriss des Germanischen Rechts, S. 277; Schmidt: Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 92f.
[3] Trusen,: Strafprozeß und Rezeption. Zu den Entwicklungen im Spätmittelalter und den Grundlagen der Carolina, S. 33-69
[4] Pfenninger: Die Wahrheitspflicht des Beschuldigten im Strafverfahren, S. 357; Moos: Das Geständnis im Strafverfahren und in der Strafzumessung, Diss. Göttingen 1983, S. 14
[5] Höra, Knut: Wahrheitspflicht und Schweigebefugnis des Beschuldigten: eine Analyse der Rechtsstellung des Beschuldigten im Strafprozess, S. 41
[6] C.19.41.8.pr, 9.41.11, 9.41.16, 9.41.17; siehe hierzu Falk: Zur Folter im deutschen Strafprozess. Das Regelungsmodell von Benedict Carpzov (1595-1666), Rn. 21, http://www.rewi-hu-berlin.de/FHI/Zitat/0106falk-folter.htm
[7] Lieberwirth, in: Erler /Kaufmann: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, I. band, S. 1150
[8] Wessels: Schweigen und Leugnen im Strafverfahren, JuS 1966, S. 170
[9] Rüping: Zur Mitwirkungspflicht des Beschuldigten und Angeklagten, JR 1974, S. 136
[10] Liepmann: Die Psychologie der Vernehmung des Angeklagten im deutschen Strafprozeß, ZStW 1924, S. 656
[11] Liepmann: Die Psychologie der Vernehmung des Angeklagten im deutschen Strafprozeß, ZStW 1924, S. 656
[12] Schmidt: Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Auflage, S. 91
[13] Sellert: Friedrich Spee von Langenfeld – ein Streiter wider Hexenprozess und Folter, NJW 1986, S. 1223; Lorenz/Midelfort,: Hexen und Hexenprozesse. Ein historischer Überblick, historicum.net, URL: http://www.historicum.net/no_cache/ persistent/artikel/3353/, zuletzt besucht am 18.05.2007
[14] Sellert,: Friedrich Spee von Langenfeld – ein Streiter wider Hexenprozess und Folter, NJW 1986, S. 1225
[15] Schmidt: Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 210



Kein Asyl bei der CSU für Django

Von | 13. August 2007 | Kategorie: Feuilleton | 3 Kommentare

Django Asül, der niederbayrische Kabarettist und Türke, darf nicht mehr als Fastenredner auf dem Münchner Nockherberg auftreten. Er hatte für seinen ersten Auftritt in diesem Jahr viel Kritik aus den Reihen der CSU bekommen, die erneut gezeigt haben, dass Humor nur dann Humor ist, wenn man über andere lachen kann (JurBlog: Asül-Antrag aus Ingolstadt). Hier […]



Ein kurzer Dialog aus einem verqualmten Zimmer eines Ausländeramtes

Von | 13. August 2007 | Kategorie: Feuilleton | Keine Kommentare

Bei einem meiner späteren Besuch des Amtes sah Herr XY mich wieder. Sein Gesichtsausdruck ähnelte in meinen Augen einem Sahnehäubchen. Die anschließende Beschwerde führte dazu, dass Herr XY die Akte nicht mehr bearbeiten und folglich auch nicht mehr begründen durfte.



Rechtsfreier Raum Ausländeramt

Von | 10. August 2007 | Kategorie: Recht | 2 Kommentare

In einer Ausländerbehörde in Mecklenburg-Vorpommern inszenieren sich Angestellte als Vollstrecker von Recht und Gesetz – mit Schusswaffen zwischen Aktenordnern. Ein Skandal.



BVerfG: Die Allgemeinheit hat ein berechtigtes Interesse daran, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten „Parallelgesellschaften“ entgegenzuwirken und Minderheiten auf diesem Gebiet zu integrieren

Von | 9. August 2007 | Kategorie: Recht | Keine Kommentare

Ich bin mir nicht sicher aber stelle mir dennoch die Frage, was sich die Verfassungsrichter dabei gedacht haben (darauf geht die Formulierung des VG Stuttgart zurück), als sie meinten, dass die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse daran habe, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten „Parallelgesellschaften“ entgegenzuwirken und Minderheiten auf diesem Gebiet zu integrieren. Die im Ergebnis überzeugende Entscheidung des VG Stuttgart hat in der Begründung einen Nachgeschmack, der schwer einzuordnen ist.



Die Bundesregierung über die Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention

Von | 8. August 2007 | Kategorie: Politik | Keine Kommentare

Eine Rücknahme der vor 15 Jahren abgegebenen Erklärung zur UN-Kinderrechtsrechtskonvention wäre „migrationspolitisch bedenklich“. Sie kann zu einem Anstieg der Einreise unbegleiteter minderjähriger Ausländer nach Deutschland führen. Dies erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort (16/6076) auf eine Große Anfrage der Grünen (16/4205). Aus diesem Grund sowie unter anderem der Gefahr, dass die Rückname der Erklärung zu Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung des nationalen Aufenthalts- und Asylrechts führen würde, seien zwölf Bundesländer nicht bereit, den Vorbehalt zur Konvention fallen zu lassen. Die Bundesregierung sehe sich deshalb außerstande, die Erklärung zu der Kinderrechtskonvention gegen den Willen der Länder zurückzunehmen. Deutschland hatte 1992 eine Erklärung hinterlegt, die unter anderem besagt, dass keine Bestimmung der UN-Kinderrechtskonvention so ausgelegt werden kann, dass sie das Recht Deutschland beschränkt, Gesetze über die Einreise von Ausländern und die Bedingung ihres Aufenthalts zu erlassen. Zuletzt habe Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) Ende vergangenen Jahres bei den zuständigen Kollegen der Länder nachgefragt, ob sie bei ihrer Haltung blieben.
Im Übrigen sei die Exekutive „Träger der auswärtigen Gewalt“. Dem Bundestag sei aber auch zuvor bei der Verabschiedung des Vertragsgesetzes die vorgesehene Erklärung bekannt gewesen. Der Rechtsausschuss des Parlaments hatte schon der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention ausdrücklich in der Erwartung zugestimmt, „dass die vorgesehene völkerrechtliche Erklärung zum Auslegungsvorbehalt abgegeben wird“, erklärt die Regierung. Die Grünen hatten unter anderem angeführt, der Bundestag habe schon mehrfach Beschlüsse zur Rücknahme der Vorbehaltserklärung gefasst. Auch die Unabhängige Kommission „Zuwanderung“ unter der Leitung der früheren Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) habe die Rücknahme empfohlen.
Das deutsche Aufenthalts- und Asylverfahrensrecht entspricht nach Auffassung der Bundesregierung den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge berücksichtige bei der Bearbeitung von Asylanträgen unbegleiteter Minderjähriger „deren spezifische Bedürfnisse in vielfältiger Weise“. So sei ein speziell geschulter Asylsachbearbeiter in dieser Angelegenheit tätig. Die Anhörung des Kindes – oder des Jugendlichen – werde einfühlsam und weniger formal vorgenommen als bei Erwachsenen. Man gehe besonders sensibel auf die Bedürfnisse der Minderjährigen ein.



Bündüskünzlürümt

Von | 6. August 2007 | Kategorie: Feuilleton | Keine Kommentare

Die Türkei zeigt ihre Pläne für die neue Botschaft in Berlin – und die sieht fast genauso aus wie der Amtssitz von Kanzlerin Merkel. Berlin bekommt ein Bündüskünzlürümt.



Express passt sich Türken an und baut bewusst Rechtschreibfehler ein

Von | 6. August 2007 | Kategorie: Feuilleton | Keine Kommentare

Anscheinend spekulierte der Autor mit vielen türkischen Lesern und passte sich entsprechend an. Er baute in nur sieben Sätzen fünf so offensichtliche Rechtschreibfehler ein, die selbst ich auf Anhieb erkannt habe. Wenn ein Journalist nach einem Punkt noch klein schreibt, kann man ruhig Vorsatz annehmen, wenn nicht gerade Karneval in Kölle ist.



27. Internationale Nasreddin Hoca Karikaturen Wettbewerb entschieden

Von | 5. August 2007 | Kategorie: Feuilleton | 2 Kommentare

Hier können sie sämtliche Preisträger in den unterschiedlichen Kategorien begutachten. Mein Favorit ist die dritte Karikatur von oben, die mich am meisten an Nasreddin Hoca’s Geschichten erinnert.

Karikaturen und Karikaturisten haben in der Türkei einen hohen Beliebheitswert bei allen Altersgruppen und blicken auf eine glorreiche Tradition zurück. Heute haben sämtliche Tageszeitungen ihre Karikaturisten, die mit hohen Ablösesummen hin und her transferiert werden und deren Karikaturen die Titelseiten zieren. Die berühmteste türkische Karikaturenzeitschrift (1972-1989) „Girgir“ hat Kultstatus erlangt und war eine Zeit lang mit 500.000 Auflagen die drittgrößte Satiremagazin weltweit.

Über Nasreddin Hoca kann man viel schreiben. Ihn am besten erklären kann man aber mit seinen Geschichten und Witzen. Hier meine zwei lieblingsgeschichten über ihn:

„Du hast Recht“

Als Nasreddin Hoca die Stellung eines Kadi im Dorfe inne hatte, kamen zwei Männer zu ihm nach Hause mit der Bitte, er möge doch eine Streitigkeit zwischen den beiden entscheiden. Nasreddin Hoca bat die Gäste herein und wollte wissen, worum es geht.

Daraufhin übernahm eine der beiden Gästen das Wort und schilderte den Sachverhalt so einseitig und dramatisch wie er nur konnte. Überwältigt von der Dramaturgie des Erzählers entfuhr dem Hoca ein voreiliges: „Sie haben Recht“. Die Ehefrau Nasreddin Hocas, die mit anwesend war, stupste daraufhin den Hoca von der Seite und flüsterte, dass er doch nicht voreilig entscheiden könne, ohne auch mal den anderen zu Wort kommen zu lassen.

Nickend forderte Nasreddin Hoca daraufhin den anderen auf, das ganze mal seiner Sicht zu schildern. Auch er erzählte die Geschichte höchst einseitig und umso dramatischer, dass Hoca den Tränen nahe war. Und wieder entfuhr dem Hoca ein unüberlegtes: „Sie haben Recht“.

Die Ehefrau Hoca’s stupste daraufhin erneut von der Seite und flüsterte, dass er doch nicht beiden gleichzeitig Recht geben könne. Schließlich müsse er entscheiden. Daraufhin wandte sich Hoca zu seiner Frau, holte tief Luft und sagte: „Ach Frau, auch du hast Recht“.

„Den Genuss lasse ich mir nicht entgehen“

Eines Tages ging Nasreddin Hoca mit schmerzverzerrtem Gesicht und laut stöhnend am Dorfzentrum vorbei. Durch seine Stellung als Kadi allgemein bekannt, luden die Männer im Cafè den Hoca zu einem Tee ein und fragten, ob er schmerzen hätte. Nasreddin Hoca zeigte daraufhin auf seine Füße und sagte, dass seine Schuhe zu eng wären und überall drückten.

Verwundert fragten die Männer, wieso er sich denn keine passenden Schuhe zulege und schämten sich zugleich in der Annahme, er könne sich keine neuen leisten. Daraufhin erwiderte der Hoca, dass er bewusst zu enge Schuhe trage.

Erstaunt über diese Aussage, wollten die Männer den Grund für die Selbstbestrafung erfahren. Der Hoca wandte sich zu der Runde und sagte mit einem breiten lächeln: „Könnt ihr euch vorstellen, wie gut es tut, wenn ich zu Hause meine Schuhe ausziehe? Den Genuss lasse ich mir nicht entgehen.“



Der Kampf gegen die Folter

Von | 4. August 2007 | Kategorie: Recht | 12 Kommentare

Prof. Dr. Winfried Brugger aus Heidelberg leitet aus der derzeitigen Rechtslage sogar eine polizeiliche Pflicht zur Folter und begründet seine Haltung unter anderem mit der Verantwortlichkeit des Staates für die Erhaltung eines angemessenen Schutzniveaus[2]. Im Frühjahr 2003 wies der Vizepräsident der Frankfurter Polizei Daschner in einem Entführungsfall die ermittelnden Beamten sogar an, dem Verdächtigen zunächst mit Gewalt zu drohen und ihm später gezielt Schmerzen zuzufügen[3]. Minister und namhafte Bundestagsabgeordnete äußerten Verständnis für den Vizepräsidenten; Brandenburgs Innenminister Schönbohm bezeichnete die Folter in Deutschland sogar als „vorstellbar“[4].

Zur Beurteilung dieser Debatte über die Legitimität der Folter ist die rechtsgeschichtliche Betrachtung zur Entwicklung der Folter als eine Rechtseinrichtung und die Berücksichtigung der praktischen Erfahrungen und Umstände, die zu einem absoluten Folterverbot geführt haben, erforderlich[5]. In der nächsten Zeit möchten wir in diesem Rahmen in Grundzügen die Bekämpfung der Folter bis zu ihrer Abschaffung aufzeigen.

Die Bedeutung der Folter

Zur Abgrenzung zwischen dem allgemeinen Verständnis der Folter und rechtswissenschaftlicher Begriffsbestimmung sind einführende Hinweise zur Bedeutung der Folter sinnvoll. Das deutsche Wort Folter ist ein Ausdruck, der erst in der Literatur des 17. Jahrhunderts die juristische Bedeutung eines „Geständniserzwingungsmittels“ erlangte[6]. Das Wort Folter meint ursprünglich noch das Gerät selbst, mit dessen Hilfe körperliche oder seelische Qualen zum Erreichen eines Geständnisses zugefügt werden können[7]. Der Begriff Folter kann auch im Sinne von Krankheit, Schmerzen, Züchtigung und oft im Sinne von (Leibes-)Strafe verwendet werden und könnte von den Gesetzesvätern des Mittelalters auch so gebraucht worden sein. Etymologische Untersuchungen ergeben jedoch, dass die Folter im juristisch-technischen Sinne als ein prozessuales Hilfsmittel zu werten ist, die zur Vervollkommnung gerichtlicher Untersuchungen und Urteilsgrundlagen zu schaffen dient[8]; sie ist in diesem Sinne jede gewaltsame Herbeiführung eines Geständnisses oder einer Aussage im Rahmen des Beweisverfahrens[9]. „Für eine rechtshistorische Untersuchung muss dieser gesetzliche Bedeutungsgehalt stets der Ausgangspunkt sein, mag unter Folter in der Umgangssprache körperlicher oder seelischer Schmerz im weitesten Sinne verstanden werden[10].“ Nicht der Begriff Folter umfasse einen weiten Rahmen, sondern alle anderen Begriffe[11], die mit Folter übersetzt oder im Sinne von Folter gebraucht werden[12].

______________________________

[1] Brugger, JZ 2000, 165ff.; Brugger, Der Staat 1996, S. 67ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Rn. 45ff.; Miehe, NJW 2003, S. 1219f.; Wittreck, DÖV 2003, S. 873ff.; Zur Diskussion in deutschen Tages- und Wochenzeitungen siehe die Nachweise bei Welsch, BayVBl 2003, 481, 482, Fußnoten 7-14
[2] Dieter Grimm / Bernhard Schlink / Winfried Brugger, HFR 4-2002, S. 5, Rn. 16f., http://www.humboldt-forum-recht.de/deutsch/4-2002/seite5.html
[3] Schnorr, ZRP 2003, S. 143
[4] N.N.: Schönbohm, Folter bei Terrorgefahr vorstellbar, Berliner Zeitung vom 26.02.2003, Lokales, S. 20
[5] Gebauer, NVwZ 2004, S. 1408f
[6] Adelung, Grammatischkritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Zweyter Tei; Sp. 241.
[7] Kluge-Götze: Etym. Wörterbuch der deutschen Sprache, S. 219
[8] Kluge-Götze: Etym. Wörterbuch der deutschen Sprache, S. 219; Trübners Deutsches Wörterbuch, S. 412
[9] Lieberwirth, Rolf, in: Erler /Kaufmann: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, I. band, S. 1150
[10] Lieberwirth, in: Thomasius, Christian: Über die Folter, Untersuchungen zur Geschichte der Folter, S. 20
[11] Sprachlich hat sich im deutschen Recht neben der Bezeichnung Folter die Bezeichnung Tortur durchgesetzt. Beide Bezeichnungen haben ihren Ursprung im Lateinischen. In den mittelalterlichen Quellen sind ferner die Bezeichnungen Quaestio, Cruciatus und Marter im Sinne von Folter zu finden.
[12] Lieberwirth, in: Thomasius, Christian: Über die Folter, Untersuchungen zur Geschichte der Folter, S.21



Kurt Beck fordert Kommunalwahlrecht auch für Nicht-EU-Ausländer

Von | 3. August 2007 | Kategorie: Politik | Keine Kommentare

Um diese Forderung allerdings zu verwirklichen wäre eine Verfassungsänderung notwendig. Aus Anlass der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages wurde bereits im Jahr 1992 ein erster Schritt in Richtung „Kommunalwahlrecht für Ausländer“ unternommen. Der damals eingefügte Artikel 28 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet aber die Teilnahme an Kommunalwahlen lediglich den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten der EU.

Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG: Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar.

Die von Beck angesprochene Ungleichbehandlung von Ausländern führt in der Tat bei nüchterner Betrachtung zu unsachgemäßen Ergebnissen. Während ein EU-Ausländer, auch wenn er neu in die Bundesrepublik eingereist ist, ein kommunales Wahlrecht besitzt, darf beispielsweise der in Deutschland geborene und aufgewachsene Türke nicht zur Wahlurne gehen.

1,4 Millionen oder 21% aller im Ausländerzentralregister geführten Ausländerinnen und Ausländer wurden in Deutschland geboren. Personen mit türkischer … Staatsangehörigkeit liegen hier mit Anteilen von 34% … deutlich über dem Gesamtdurchschnitt. (Quelle: Aufenthaltstitel.de)

Trotz dieser Kommunalen Schieflage scheint eine Umsetzung Becks Forderungen allerdings schwierig. Die SPD, die immer wieder mal gerne etwas für Ausländer fordert, sich allerdings im Bundestag meist gegen die CDU nicht durchsetzen kann, wird Rückgrat beweisen müssen.

Die Bundesregierung hatte nämlich bereits im April 2007 mitgeteilt, dass sie derzeit keinen Weg für ein Kommunalwahlrecht für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten sehe. Dies erfordere eine Verfassungsänderung. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat sei „nicht absehbar“.

Stimmt! Für die erforderliche Zweidrittelmehrheit wären die Stimmen der CDU/CSU notwendig.

Dieses „wir-können-nichts-dafür“ oder auch „würden-gerne,-können-aber-nicht“ Argument wird sich allerdings nicht mehr lange halten, da bereits die Mehrheit der EU-Staaten ihren Ausländern das Wahlrecht auf kommunaler Ebene ermöglichten und durchweg von positiven Erfahrungen berichten. Selbstverständlich wird, wir kennen die Union nur zu gut, ausreichend Nachdruck von Nöten sein, wie beispielsweise von der Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages, der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU!). Sie bestätigt in diesem Fall die Regel in der Union.

Letztlich würde durch die Umsetzungen die Integration vieler Kommunalpolitiker in die deutsche Wirklichkeit enorm vorangetrieben werden. Sie wären gezwungen auf die Bedürfnisse und Probleme der über sieben Millionen Ausländer einzugehen, sich diese anzuhören und sich um Besserung der Umstände einzusetzen.





 

WichtigeLinks

JurBlogEmpfehlungen

Blog'n'Roll