Wahlkampf in Hessen: Koch rührt braune Brühe

1. Januar 2008 | Von | Kategorie: Politik | 8 Kommentare |

Viel hat Roland Koch (CDU) den Ausländern zu verdanken. 1999 verhinderte er mit seiner Unterschriftenaktion den Doppelpass für Ausländer und gewann überraschend die Landtagswahlen. Ende Januar 2008 stehen erneut Landtagswahlen in Hessen an und Roland Koch’s Aussichten sind erneut alles andere als rosig. Dennoch hat er gute Chancen, als Sieger aus den Wahlen hervorzugehen. Erneut kamen ihm Ausländer zu Hilfe. Diesmal sind es zwei „junge kriminelle“, die einen Rentner in einer U-Bahn überfielen. Ein 20-jähriger in Deutschland geborener Türke und ein 17-jähriger Grieche.

Dieser Ãœberfall ist für den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch die Chance, sich wieder ins Gespräch zu bringen. Er forderte in der Bild-Zeitung – wo denn auch sonst – eine schärfere Gangart gegen ausländische Straftäter. „Wir haben zu viele kriminelle junge Ausländer“, sagte Koch.

Hätte sich Roland Koch zuvor ein Bild über die Ausländerkriminalität gemacht auf den frei zugänglichen Internet-Seiten der Hüterin demokratischen Wissens, der Bundeszentrale für politische Bildung, wüsste er, dass er vom „Repertoire rechtsradikaler Propaganda“ schöpft. Mit diesen Worten nämlich beginnt der Abschnitt „Ausländerkriminalität“. Bei einer differenzierenden Auswertung ergibt sich laut Bundeszentrale, die sich auf Fachleute wie den niedersächsischen Kriminologen und zeitweiligen Justizminister Christian Pfeiffer beruft, „dass die Kriminalität der ausländischen Wohnbevölkerung (Arbeitsmigranten) gegenüber vergleichbaren deutschen sozialen Gruppen geringer ist. Ausländer, die ständig in Deutschland leben, sind also gesetzestreuer als Deutsche in gleicher sozialer Position“.

Nicht totgeschwiegen werden soll, dass junge Ausländer in der Tat besonders häufig in Konflikt mit dem Gesetz kommen. Doch sind Faktoren wie, Arbeitslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Ausgrenzung die häufigsten Ursachen dafür. Für solche Fakten und Auseinandersetzungen ist aber in einem Land, in der es mehr Wähler unter Rechtsextremisten gibt als unter Deutschen mit ausländischem Hintergrund, kein Bedarf.

Es sei Roland Koch, so weiter im Interview, aber auch „völlig egal, welchen Hintergrund Schläger“ hätten. Aus dieser Formulierung könnte man überraschenderweise folgern, als ginge es Herrn Koch um die Verurteilung der Tat selbst und zur Abwechslung nicht um die Nationalität des Täters. Doch dann lässt Koch die Katze aus dem Sack und redet tacheles: „Wer sich als Ausländer nicht an unsere Regeln hält, ist hier Fehl am Platze.“ Also nicht so egal, welchen Hintergrund Schläger haben. Schließlich buhlt er um Wählerstimmen am rechten Rand, wo man alles verständlich und klar ausdrücken muss, damit es auch der Letzte begreift. Bei so ernsten Angelegenheiten wie bei Wahlen, darf man schließlich nichts dem Zufall überlassen.

So dachte er wohl auch bei seinem ersten Versuch Mitte Dezember. Damals scheiterte er kläglich aufgrund fehlender Fälle. Koch hatte ein Verbot des islamischen Ganzkörperschleiers für Schülerinnen ins Gespräch gebracht, obwohl in ganz Hessen kein solcher Fall bekannt ist.

Allerdings darf man Roland Koch auch nicht Unrecht tun. Schließlich steht er nicht allein mit seiner Meinung da. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte beispielsweise bereits angekündigt, den Deutschtürken ausweisen zu lassen. Ob er eine juristische Prüfung irgendeines Ausweisungstatbestandes vorgenommen hat, bevor er laut wurde, darf zu Recht bezweifelt werden, unabhängig von der Frage, ob ein in Deutschland geborener und sozialisierter Ausländer überhaupt ausgewiesen werden sollte. Schließlich wuchs er in Deutschland auf, ging in eine deutsche Schule, wo ihn deutsche Lehrer ausgebildet haben. Wenn die Sozialisation am Ende gescheitert ist, so muss man auch mal an die eigene Nase fassen. Schließlich verbringt ein Kind im Schulalter mehr Zeit unter der Obhut des Staates, als bei den Eltern.

Ebenfalls aus Bayern meldete sich auch der in solchen Angelegenheiten chronisch mitmischende Ministerpräsident Günther Beckstein. Er forderte eine Verschärfung des Jugendstrafrechts und werde das Thema demnächst anpacken. Was demnächst in diesem Zusammenhang bedeutet ist offenkundig: Jedenfalls noch vor den bayerischen Landtagswahlen im März 2008. Danach interessiert’s niemanden mehr.

8 Kommentare
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  1. „Wenn die Sozialisation am Ende gescheitert ist, so muss man auch mal an die eigene Nase fassen. Schließlich verbringt ein Kind im Schulalter mehr Zeit unter der Obhut des Staates, als bei den Eltern.“

    Das erinnert mich an meine Argumentation der vergangenen Tage. Wer hier vor Ort aufgewachsene Kinder (ohne Differenzierung des Geburtsortes) verurteilt, verurteilt sein eigenes Versagen. – Hierfür hat der „fürsorgende Staat“ die Verantwortung zu übernehmen. Eine Ausweisung ist das Eingeständnis des Versagens und die Verurteilung des „Auszuweisenden“ dient nur der Schuldbefreiung. – Personen die in einem Staat, egal in welchem, auswachsen, lernen die Werte des Staates und nicht die eines anderen. Wenn da was schiefläuft, ist genau dieser „aufziehende“ Staat verantwortlich!

    Eine Ausweisung in solchen Fällen ist der Ausweis des eigenen Versagens mit dem Hinweis: „Der andere Staat ist Schuld, sind halt wohl alle Verbrecher“. Das enspricht aber nicht der deutschen Rechtskultur seit 1945 und sollte auch nicht Standard werden. Vielleicht sollten genau diese „braven und rechtschaffenden Politiker“ mal woanders auf der Welt eine Weile in einem anderen Kulturkreis unterwegs sein, damit sie vielleicht endlich mal etwas lernen.

    (Falls irgendwo ein Bruch im Text sein sollte, bitte auf den Cava von vorhin zurückführen…)

  2. 10.000 Straftaten rechtsgerichteter Täter bis hin zu schwersten Straftaten gegen das Leben pro Jahr.

    und die Herren Koch und Beckstein schweigen dazu.

    Keine Forderung nach aller Härte des Staates. Keine Forderungen an die Justiz oder die Poltik nach mehr Sanktionen oder noch wichtiger mehr Schutz für die Opfer.

    Besser kann man die die wahloptimierte Scheinheiligkeit nicht offenkundig machen

  3. In dieser Diskussion wird mir vom linken Rand zu viel heiße Luft gemacht: Tatsache ist, dass die Straftat in der U-Bahn sich wie beschrieben abgespielt hat und dass nun mal Jugendliche mit Migrationshintergrund daran beteiligt waren. Jetzt auf jeden einzuschlagen, der sich darüber aufregt, ist doch vollkommen unsinnig. Hätten zwei Neonazis einen türkischen Rentner vollkommen ohne Grund brutal zusammengeschlagen und würde aus diesem Grund nun jemand härtere Strafen für rechtsradikale Gewalttäter fordern, würde sich hier niemand darüber aufregen – und das zu Recht, denn solche Gewalttaten gehören nun mal bestraft.

    Ich kann nicht nachvollziehen, wieso man nach einer solchen Tat, wenn sie nicht von jugen Neonazis sondern von jungen Ausländern begangen wird, nicht ebenfalls nach härteren Strafen rufen darf, ohne sofort in die rechte Ecke abgedrängt zu werden. Tatsache ist nun mal, dass junge Ausländer besonders häufig in rechtliche Schwierigkeiten geraten – genau wie im Blog-Artikel dargestellt. Dies ist mit Sicherheit auf eine Vielzahl verschiedener Ursachen zurückzuführen, die ganz sicher nichts mit der Herkunft an sich zu tun haben – dem Opfer, dass in der U-Bahn grundlos verprügelt wird, ist dies aber herzlich egal – und dies ebenfalls zu Recht!

    Die Häufung von Straffälligkeiten in bestimmten gesellschaftlichen Gruppen – seien dies Neonazis, Migranten oder von mir aus auch Beamte – stellt eine Herausforderung für die Gesellschaft insgesamt dar, die sich überlegen muss, wie mit dem Problem umgegangen werden kann. Wir haben in diesem Land viele kluge Köpfe, die sich lautstark und öffentlich dafür stark machen, dass neonazistische Gewalttaten und die Diskussion um das Problem mit der Gewalt von Rechts immer wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt werden – und das ist gut so!

    Es stimmt mich doch aber bedenklich, dass die gleiche Art von öffentlicher Diskussion nicht möglich zu sein scheint, wenn die Täter keinen neonazistischen sondern statt dessen vielleicht einen Migrationshintergrund haben, weil jeder befürchten muss, sofort in die Nazi-Ecke gestellt zu werden, wie dieser Blog-Beitrag (Stichwort „braune Brühe“) eindrucksvoll zeigt. Auch in solchen Fällen muss eine öffentliche Diskussion ohne persönliche Angriffe möglich sein.

    Anstatt mit einem „ad hominem“-Angriff gleich Koch in die Nazi-Ecke zu stellen, in die er nun wirklich nicht gehört, wäre es doch viel interessanter, sich einmal darüber Gedanken zu machen, wie man denn nun mit jugendlichen, ausländischen Wiederholungstätern umgehen soll, bei denen die Integration eindeutig versagt hat! Wenn alle „contra“-Argumente zu Kochs Vorschlägen darin bestehen, auf dem Mann herumzuhacken und ihm ehrenrührige Motive unterzuschieben, anstatt einen sinnvollen Vorschlag zur Lösung des Problems zu bringen, dann sollte es auch niemanden schockieren, wenn ihm die Wähler zulaufen…

  4. @ Christian
    Das Grundlegende an dieser Sache ist doch die , das die Gewaltbereitschaft unter den Jugendlichen allgemein sehr stark vertreten ist.
    Anstatt aber dieses Problem als ein Generationsproblem zu reden, wird dieses als ein rein Auslänidisches gesehen.
    Zu Ihrer Information ,
    der Bundesverfassungsschutz kennt das Neonazi probelm und weiß auch das dieses das größere übel in unserer Gesellschaft ist, jedoch läßt sich die Isalm / Ausländer bedrohung besser an den Mann bringen.
    Ich zitiere ein Gespräch mit einem Beamten aus dieser Behörde.

    Und zu punkto „braune Brühe“
    Waren es nicht die Politiker von SPD, FDP, Grünen und PDS die als erste den Herrn Koch in die rechte Ecke gestellt haben?
    Ich hatte in einem anderem Artikel eine Statistik aufgefüht woraus heraus ging das 14% der Moslemischen Jugendlichen gegen die Demokratie sind.
    Alle haben erst auf die Moslems gehetzt da sie die bestehende Ordnung nicht akzeptieren würden.
    Wenn man sich jedoch diese Statistik mal genauer ansieht , erkennt man das auch 14 % der anders Gläubigen gegen die Demokratie ist.
    Also ein Generationsproblem.
    Ich pflichte Ihnen bei das die Gesetzte überarbeitet werden müssen um solche täter zu bestrafen und künftige ab zu schrecken, nur sollte man diese Thema nicht nur auf Jugendliche mit Migrationshintergrund reduzieren.
    Weil so und nur so hat dieses dann auch Aussicht auf erfolg.

    Noch ein Beispiel zur darstellung der Realität.
    Im Kölner Karneval hatte es eine Gewalttat von Türkischen Jugendlichen gegen einen Deutschen in Köln Ostheim gegeben.
    Die Lokale Presse „Express“ hatte mehrere Artikel hierzu gebracht.
    Ein Artikel sah so aus , das der Täter zwar mit einem Balken vor den Augen unkentlich gemacht wurde aber trotzdem aber als Ausländer zu erkennen war.
    Diese Photo hatte die hälfte der Seite in anspruch genommen , der rest war der Artikel selbst.
    Auf der gleichen Seite , ganz klein und leicht zu übersehen , einen Bericht über einen der Anführer einer Kriminellengruppe aus Köln Bickendorf der gegen sämtliche auflagen der Gerichte verstoßen hatte und erneut deshalb vor Gericht steht. Ein Deutscher.

    Auch im Jahresrückblick dieses besagten Blattes , letzte Seite oben Links , also im direkten Focus , der Bericht über dieses tat in Köln Ostheim und auf der gleichen seite unten rechts der Bericht über diese Täter aus Köln Bickendorf.
    Da frage ich mich doch “ Warum steht diese einzel tat des Türken im direkten visier des Lesers und die Gruppe dieser öfter Kriminellen Deutschen Gruppe im Ãœbersehbaren bereich“

    Uns so soll dann Politik gemacht werden ?

  5. @ Christian

    Können Sie sich noch an die Vorfälle in Mügeln erinnern. Auch dort hat man nach strengerer Bestrafung gerufen. Dort haben insbesondere die Unionler aber auch nach Mäßigung und Sachlichkeit bei der Debatte gerufen. Teilweise wurden die Taten sogar versucht ,zu relativieren und herunterzuspielen. Nach Mügelns Bürgermeister hatten die Taten gar keinen rechtsextremen Hintergrund. Wo sind die Stimmen heute aus den Reihen der Union? Wie viele Unionler schreien heute nach Mäßigung und Sachlichkeit? Es geht bei den beiden Fällen (Mügeln, München) nicht darum, ob Straftäter stärker bestraft werden sollen oder nicht. Meinetwegen sollen sie. Es geht um Forderungen (Veränderung des Jugendstrafrechts, Bootcamps etc.), die weit darüber hinaus gehen und der Bevölkerung etwas einreden was so nicht existiert. Strängere Strafen werden, da sind sich die Experten einig, das Problem nicht lösen. Wieso glauben Sie ist für den Rechtsextremismus das Familienministerium zuständig? Weil man weiß, dass Rechtsextremismus nur pädagogisch wirksam angegangen werden kann. Im Falle junger Ausländer aber melden sich Innenministerien, die zuständig für die innere Sicherheit sind. Zwei Paar Schuhe!

    Der Grund für die braune Brühe ist der Zeitpunkt, den Roland Koch für diese Debatte auserwählt hat. Täglich verprügeln ausländische Jugendliche irgendwelche Deutsche und täglich werden Ausländer von Nazis verprügelt. Ein Blick in die Lokalseiten genügt meist. Koch’s Kalkül ist der Wahlkampf. Hessen ist im Bundesvergleich das Land mit den meisten Rückfallquoten bei Kriminellen. Hessen hat in der letzten Jahren massiv bei der Polizei Mittel gestrichen. Hessen ist einer der schlimmsten Becken in Punkto Bildung. Hessen macht aber Politik auf dem Rücken der Ausländer. Niemand hat etwas dagegen, wenn er strengere Strafen fordert. Alle Ausländer haben aber etwas dagegen wenn er von zu vielen ausländischen jugendlichen Kriminellen spricht und schnellere Abschiebung fordert.

    Solche Äußerungen sind stets ein Schuss nach hinten. Gegen Ausländer werden Ausgrenzung und Abneigung gefördert. Der Ausländer wird pauschal verdächtigt und verliert das Gefühl, dazu zu gehören. Ein Kollaps ist die Folge. Dann möchte mir Merkel erklären, dass Deutschland Integrationsland ist.

    Man kann über alles reden. Auch über Bootcamps und über Ausweisung, wenn man Gründe vorträgt. Koch belendet aber bei seiner Tour die Gesamte Ursachenpalette für Kriminalität bei ausländischen Jugendlichen aus. Auf dieser Basis sucht er nicht nach Diskussion und auch nicht nach einer Lösung. Er fischt schlicht in der rechten Szene nach Stimmen!

    Wie man mit ausländischen Wiederholungstätern am besten umgeht, wissen Kriminologen, Soziologen und Psychologen besser als wir. Die haben ihr Wissen auf diesem Gebiet aber auch dokumentiert, so dass die Erkenntnis nicht weit weg liegt. Der eine hätte es so, der andere lieber so. Alles in allem werden sie aber die strengere Bestrafung in einem halbwegs seriösen Buch allenfalls als die letzte Alternative finden. Und wenn sich ein Ministerpräsident gerade diese Alternative rausfischt, eröffnet er für Spekulationen nun einmal Tür und Tor. Da darf man sich nicht wundern, wenn man in die Ecke gerückt wird, in der mann schließlich Kocht.

  6. Altkanzler Schröder ist ebenfalls der Auffassung das Hessens MP Koch braune Brühe rührt.

    Der Zentralrat der Juden bezeichnet den Wahlkampf Kochs als
    NPD-Niveau

    http://www.sueddeutsche.de/,ra1m1/deutschland/artikel/637/151259/

    Kann man als Ministerpräsident eingentlich noch tiefer sinken?

  7. Kann man als Ministerpräsident eingentlich noch tiefer sinken?

    Auf keinen Fall!!!

  8. […] die bei einheimischen Tätern nicht greife. Er werde das Thema auch bei den nächsten Landtagswahlen im September 2008 auf die Tagesordnung setzen. Nur weil Wahlkampf sei, dürften Probleme nicht […]

 

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