Das Gesetz der Fremde – Teil 6: Multikulturalismus – Parallelgesellschaft

25. September 2008 | Von | Kategorie: Gastbeiträge, Leitartikel | Keine Kommentare |

Ein Weg diese Vielfalt zu leben, ist für mich immer noch der Multikulturalismus. Und ich sage dies im Bewusstsein dessen, dass selbst die eifrigsten Verfechter dieses Begriffes ihm mittlerweile abgeschworen haben.

Rhein Triannale 2008 - Mustafa Yeneroglu, Necla Kelek, Heinrich Wefing, Tarik Al-Wazir und Thomas Kufen (v.l.n.r.) - Foto © Michael Kneffel

Rhein Triannale 2008 - Mustafa Yeneroglu, Necla Kelek, Heinrich Wefing, Tarik Al-Wazir und Thomas Kufen (v.l.n.r.) - Foto © Michael Kneffel

Er ist an sich verbrannt, mit dem Schimpfwort „Multi-Kulti“ der Lächerlichkeit preis gegeben. Doch was am Modell des Multikulturalismus hat eigentlich diesen Spott auf sich gezogen? Was hat uns so vorsichtig werden lassen? Können wir es uns dieser Vorsicht Tribut zollend leisten, einer Realität nicht ins Auge zu sehen, nämlich der Realität, dass mittlerweile in Deutschland sehr viele Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, Erfahrungen und Vorstellungen leben?

Ich glaube nicht.

Eine Kritik an der multikulturellen Gesellschaft war dort berechtigt, wo sie ihre Augen für manche Schattenseiten der Gesellschaft verschlossen hat. Dort wo unmögliche Verhältnisse mit einem uninteressierten Kulturpflaster bedeckt worden ist. Und eine Schattenseite dieses Modells war es, auch die sozialen, kultur-unabhängigen Probleme in das kulturelle Kleid zu zwängen.

Gerade die Debatten dieses Jahrzehnts haben uns jedoch gezeigt, dass viele kulturell verortete Probleme, oftmals sozialer Natur sind. Ob dies nun der PISA- Bericht war, der uns unverblümt vor Augen geführt hat, wie selektiv unser Schulsystem ist – gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund. Ein aufmerksamer Blick in den Berufsbildungsbericht 2006 der Bundesregierung zeigte gleichermaßen, wie diese Ausgrenzung bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen fortgeführt wird.

Und schließlich hat uns auch die ernsthafte Suche nach Gründen zum Beispiel gezeigt, dass die Ansammlung von Menschen mit Migrationshintergrund in Stadtteilen wie Duisburg-Marxloh, Köln-Ehrenfeld oder Berlin-Kreuzberg gerade nicht mit dem Willen zur Segregation, zur Abgrenzung zu tun hat, sondern anfänglich viel mehr mit der Kommunalpolitik, die „Ausländer“ in bestimmten Bezirken konzentriert hat. Eben diese kommunalpolitische Gheottisierung und die weitergehende Verwahrlosung dieser Bezirke haben zu Mietpreisen geführt, die wiederum die Konzentration verstärkte, weil sie der Einkommenssituation dieser Menschen em ehesten entsprach. Nicht freiwillig haben sich die meisten in ihre vermeintliche „Parallelgesellschaft“ begeben, die erst seit einigen Jahren als „das Ãœbel schlechthin“ erkannt wird. Einschränkend muss ich sagen, dass es bei der Problematisierung natürlich nicht um solche Parallelgesellschaften der high society geht, über die wir in der Zeitschrift „Bunte“ nachlesen können, sondern nur um solche, die fremd erscheinen.

Mir schwebt mit dem Begriff des Multikulturalismus im Sinne eines verfassungsrechtlichen Pluralismus nicht das Etablieren von nebeneinander existierenden Parallelgesellschaften vor. Es geht um die Anerkennung der Realität, um die Anerkennung der Tatsache, dass es unterschiedliche kulturelle Prägungen gibt. Müssen diese unterschiedlichen kulturellen Prägungen zu Abgrenzungstendenzen führen?

Ich meine Nein!

Vielmehr lässt mich die vehemente Ablehnung des Multikulturalismus von manchen Kreisen die Frage stellen: Geht es eigentlich überhaupt noch um diesen Begriff selbst, oder richten sich die Vorbehalte nicht viel mehr gegen die pluralistische Einwanderungsgesellschaft? Ist es nicht schon der Pluralismus des Grundgesetzes, den manch einer unter dem Schmähwort „Multi-Kulti“ ablehnt.

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