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Beiträge zum Stichwort ‘ Strafrecht ’



Die Anwendung der Folter im deutschen Strafprozessrecht

Von | 14. August 2007 | Kategorie: Recht | 8 Kommentare

Nach Auffassung von Künßberg war der Gebrauch der Folter den Germanen zunächst unbekannt. Fest steht jedoch, dass die Germanenreiche, die auf römischem Boden gegründet wurden, nach dem Vorbild des römischen Rechts die Folter in ihre Gesetzgebung aufgenommen hat[1]. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass sich die Folter bei den Germanen eigenständig entwickelt haben kann, und dass später bei den Aufzeichnungen der germanischen Stammesrechte der entsprechende Terminus des römischen Rechts einfach übernommen wurde. Diese These gilt seit der grundlegenden Abhandlung von Winfried Trusen über „Strafprozeß und Rezeption“ aus dem Jahre 1984 als widerlegt[3].

Die Folter durfte nach römischem Recht ursprünglich nur gegen Unfreie angewendet werden, was ihre Rechtfertigung in der umfassenden Macht des „pater familias“ fand[5]. Uneingeschränkt galt dies jedoch nur für die Zeit der Republik. Im Prinzipat und in der Kaiserzeit wurde die Praxis zum Teil auch auf Freie ausgedehnt. Dies spiegelt sich im Codextitel „De quaestionibus“ (C.9.41), der in mehreren Stellen die Zulässigkeit der Folter auch gegen Freie dokumentiert[6].

Mit Ausnahme des westgotischen Rechts büßte die Folter in den germanischen „Nachfolge-Staaten“ erheblich an Bedeutung ein. Der Grund hierfür war das Prinzip der Verbrechensverfolgung des „germanischen Rechtsdenkens“. Ein gerichtliches Verfahren wurde nämlich nur dann eingeleitet, wenn der Verletzte Anklage erhob. Die Folter war „ein Produkt einer ganz anderen staatlichen Organisation, die in der Verbrechensverfolgung eine Staatsaufgabe und keine Angelegenheit einer Prozesspartei sah[7].

Der Inquisitionsprozess

Durch den Inquisitionsprozess im 13. Jahrhundert erlangte die Folter ihre alte Bedeutung zurück. Sie wurde nunmehr auch in „normalen“ Verfahren zur Erlangung eines Geständnisses eingesetzt[8]. Der Grund hierfür war die Vorstellung, dass jeder Verbrecher vom Teufel besessen sei und dies nur durch die Folter gebrochen werden könne[9]. Ferner reichten in der gerichtlichen Beweisführung für eine Verurteilung weder Indizien noch eine sonstwie geartete freie Überzeugung des Gerichts aus. Vielmehr war ein Geständnis oder die Aussage zweier Zeugen erforderlich, die den Täter bei der Tat selbst gesehen haben müssen[10]. Da Tatzeugen nur selten zur Verfügung stehen, entwickelte sich das Geständnis zu dem entscheidenden Beweismittel: confessio est regina probationum (=das Geständnis ist die Königin der Beweismittel)[11]. In dieser Form ist die Folter erstmalig im Stadtrecht von Wiener Neustadt bezeugt[12].

Hexenprozesse

Bereits im 13. Jahrhundert stand die Zauberei in der „Treuga Heinrici“ unter Strafe. Aber auch bekannte Rechtsbücher wie beispielsweise der Sachsen- und Schwabenspiegel oder die Carolina enthielten Bestimmungen, die das „crimen magiae“ mit schwerer Strafe bedrohten. Durch den Einfluss der Kirche seit dem Ende des 15. Jahrhunderts entwickelte sich die Zauberei zusätzlich zu einem schweren Religionsdelikt. Papst Innozenz VIII. (1484-1492) ordnete mit der sogenannten Hexenbulle „Summis desiderantes affectibus“ vom 5. 12. 1484 die strafrechtliche Verfolgung hexenverdächtiger Personen an. Mit seinem Einverständnis verfassten daraufhin die beiden Dominikanermönche Heinrich Institoris und Jakob Sprenger den berüchtigten „malleus maleficiarum“, den sogenannten Hexenhammer[13], der den Inquisitionsprozess verschärfte. Der Hexenprozess entwickelte sich zu einem Ausnahmeverfahren, der in anderer Weise als bei anderen Verbrechen geführt werden dürfe[14]. Somit war die strafrechtliche Verfolgung in Art und Maß „aufs willkürlichste gesteigert“[15].

Bekir Altas – Duisburg, 13.08.2007

Teil 1: Der Kampf gegen die Folter

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[1] Schröder/Künßberg: Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, S. 399
[2] Lieberwirth, in: Thomasius, Christian: Über die Folter, Untersuchungen zur Geschichte der Folter, S.43; Amira: Grundriss des Germanischen Rechts, S. 277; Schmidt: Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 92f.
[3] Trusen,: Strafprozeß und Rezeption. Zu den Entwicklungen im Spätmittelalter und den Grundlagen der Carolina, S. 33-69
[4] Pfenninger: Die Wahrheitspflicht des Beschuldigten im Strafverfahren, S. 357; Moos: Das Geständnis im Strafverfahren und in der Strafzumessung, Diss. Göttingen 1983, S. 14
[5] Höra, Knut: Wahrheitspflicht und Schweigebefugnis des Beschuldigten: eine Analyse der Rechtsstellung des Beschuldigten im Strafprozess, S. 41
[6] C.19.41.8.pr, 9.41.11, 9.41.16, 9.41.17; siehe hierzu Falk: Zur Folter im deutschen Strafprozess. Das Regelungsmodell von Benedict Carpzov (1595-1666), Rn. 21, http://www.rewi-hu-berlin.de/FHI/Zitat/0106falk-folter.htm
[7] Lieberwirth, in: Erler /Kaufmann: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, I. band, S. 1150
[8] Wessels: Schweigen und Leugnen im Strafverfahren, JuS 1966, S. 170
[9] Rüping: Zur Mitwirkungspflicht des Beschuldigten und Angeklagten, JR 1974, S. 136
[10] Liepmann: Die Psychologie der Vernehmung des Angeklagten im deutschen Strafprozeß, ZStW 1924, S. 656
[11] Liepmann: Die Psychologie der Vernehmung des Angeklagten im deutschen Strafprozeß, ZStW 1924, S. 656
[12] Schmidt: Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Auflage, S. 91
[13] Sellert: Friedrich Spee von Langenfeld – ein Streiter wider Hexenprozess und Folter, NJW 1986, S. 1223; Lorenz/Midelfort,: Hexen und Hexenprozesse. Ein historischer Überblick, historicum.net, URL: http://www.historicum.net/no_cache/ persistent/artikel/3353/, zuletzt besucht am 18.05.2007
[14] Sellert,: Friedrich Spee von Langenfeld – ein Streiter wider Hexenprozess und Folter, NJW 1986, S. 1225
[15] Schmidt: Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 210



Der Fall Marco W.: Was denn nun?

Von | 26. Juni 2007 | Kategorie: Feuilleton | 3 Kommentare

In der Juristerei gibt es oft unzählige Meinungen zu meist überflüssigen Streitigkeiten. Während die Mindermeinung das Haar durch die Mitte spalten will, möchte die Rechtsprechung an den Spitzen stutzen. Dazu gesellen sich meist noch mehrere sog. Literaturmeinungen, die alle im Grunde eine Synthese von beidem möchten und das Haar je nachdem durch die Mitte spalten […]



Links: Kalenderwoche 08/2007

Von | 19. Februar 2007 | Kategorie: Feuilleton | Keine Kommentare


Links: Kalenderwoche 06/2007

Von | 5. Februar 2007 | Kategorie: Feuilleton | Keine Kommentare


§ 301 türk. StGB vs. § 90a StGB

Von | 1. Februar 2007 | Kategorie: Recht | 32 Kommentare

Seit der Ermordung des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink und der anschließenden Absage der Deutschlandreise des türkischen Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk, steht § 301 des türkischen Strafgesetzbuches, der die Beleidigung des Türkentums unter Strafe stellt, erneut im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Vehement wird die Abschaffung des § 301 türk. StGB gefordert.



US-Gericht verurteilt Studenten wegen „totaler Blödheit“

Von | 30. Januar 2007 | Kategorie: Feuilleton | Keine Kommentare

Ein 21-jähriger Student aus Miami schaffte es im August vergangenen Jahres nicht mehr ganz rechtzeitig zum Flughafen. Um trotzdem noch an Bord seiner Maschine zu kommen, ließ er sich etwas einfallen – nämlich eine Bombendrohung. Ein US-Gericht würdigte die Aktion mit einem Urteil wegen „totaler Blödheit“. (Quelle: RP)



Die Ermordung von Hrant Dink und § 301 des türkischen Strafgesetzbuches

Von | 20. Januar 2007 | Kategorie: Recht | 3 Kommentare

Erneut ist § 301 des türkischen Strafgesetzbuches, der die Beleidigung des Türkentums unter Strafe stellt, im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Hrant Dink, ein türkisch-armenischer Journalist war am Freitag auf offener Straße ermordet worden. Wie andere Schriftsteller und Journalisten war auch er wegen Beleidiung des Türkentums angeklagt und auf Bewährung verurteilt worden. Nun überschlagen sich sämtliche Zeitungen […]



Die Verwahrlosung der Rechtsstaatlichkeit

Von | 3. Januar 2007 | Kategorie: Recht | 7 Kommentare

Prof. Dr. Werner Schiffauer lehrt Vergleichende Sozial- und Kulturanthropologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. In den vergangen Jahren hat er sich einen Namen als Experte für den türkischen Islam, türkische Migration und Muslime in Deutschland gemacht. Schiffauer ist einer der ausgesprochensten Kritiker der gegenwärtigen Migrations- und Islampolitik. Die Islamische Zeitung sprach mit ihm:



Kleine Anfrage: Umgang mit ausländischen Gefährdern – Statusrechtliche Begleitmaßnahmen

Von | 20. Dezember 2006 | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare

Die Arbeit der Arbeitsgruppe „Statusrechtliche Begleitmaßnahmen“ (AG Status) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge steht im Fokus zweier Kleinen Anfragen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen (16/3220) und Die Linken (16/3764). Das wesentliche Ziel der AG Status bestehe darin, den aufenthaltsrechtlichen Status von Personen mit extremistischen oder terroristischen Hintergrund zu überprüfen und unter Umständen zurückzunehmen.



Sicherheitsbericht: Deutschland ist dank Türken eines der sichersten Länder der Welt

Von | 16. November 2006 | Kategorie: Leitartikel | 12 Kommentare

… Die weit überwiegende Mehrheit der Ausländer in Deutschland, ganz besonders diejenigen, die bereits seit vielen Jahren hier sind, treten strafrechtlich nicht in Erscheinung. Die seit 1994 deutlich rückläufige, jedoch rein statistisch gesehen noch immer erhöhte Ausländerdelinquenz ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass etwa durchreisende Ausländer nicht von der Bevölkerungsstatistik erfasst werden, wohl aber deren […]



Einbürgerung nach Verurteilung zu einer Maßregel der Besserung und Sicherung

Von | 26. Oktober 2006 | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare

VG Potsdam 3. Kammer, Urteil vom 30. Mai 2006, Az: 3 K 1712/04 Die Verurteilung zu einer Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 63 StGB) ist eine Verurteilung wegen einer Straftat i.S.v. § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG a.F. Orientierungssatz. Der einbürgerungsrechtliche Begriff der „Verurteilung wegen einer Straftat“ ist nicht mit dem strafrechtlichen Verständnis […]



Ausländerrechtliche Fiktionswirkung des verspäteten Verlängerungsantrags

Von | 26. Oktober 2006 | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare

OVG NRW, Beschluß vom 23. März 2006, Az: 18 B 120/06 Die Fortbestandsfiktion des § 81 Abs 4 AufenthG (AufenthG 2004) greift auch ein, wenn der Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels erst nach Ablauf der Geltungsdauer des Titels und damit verspätet gestellt wird; die Verspätung darf aber nur so geringfügig sein, dass ein innerer Zusammenhang […]



Ausweisung nach Entzug der Staatsangehörigkeit ist rechtens

Von | 5. September 2006 | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare

Ein Nigerianer, dem mit Zustimmung des Bundesverfassungsgerichts die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen worden ist, muss Deutschland verlassen. Das entschied das Verwaltungsgericht Karlsruhe am Freitag. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können beim Verwal­tungsgerichtshof Baden-Württemberg binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Entscheidungsgründe die Zulassung der Beru­fung beantragen (Az. 2 K 1035/04).





 

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